14.12.2023

13 Prozent mehr Insolvenzen als im Vorjahr

2023 bringt das größte Insolvenz-Volumen der zweiten Republik. Für das kommende Jahr werden weitere Pleiten und Passiva erwartet, heißt es im Resümee des KSV1870. Wie es um die schwarzen Zahlen steht, wie sehr die Signa-Insolvenz die Lage beeinflusst und was 2024 bringt.
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Jumug Carbon Recovery Ataleo Insolvenzen
(c) Adobe Stock

8,53 Milliarden Euro: So groß ist der Schuldenberg österreichischer Unternehmen heuer – ein Rekord in der zweiten Republik. Für rund fünf Milliarden Euro ist allerdings die insolvente Signa Holding verantwortlich. Dass es Österreichs Wirtschaft schlecht geht, geht aber nicht allein auf die Rechnung des derzeit medial prominenten Unternehmens. Mit gestiegenen Insolvenzen um 13 Prozent – insgesamt 5.401 Unternehmen – hohen Kosten sowie gesunkener Kaufkraft vor allem in der Gastronomie sieht die Finanzlage der Unternehmen eher mau aus, heißt es in einer Aussendung des KSV1870.

15 Insolvenzen pro Tag

Der Anstieg von 13 Prozent, das entspricht 15 Firmenpleiten pro Tag, rechnet der KSV aus, so viele Fälle wurden zuletzt vor zehn Jahren verzeichnet. Besonders betroffen sind Handel, Bauwirtschaft und die Bereiche Beherbergung/Gastronomie. Auch ohne Signa-Pleite hat sich die Gesamtsumme der Passiva etwa bei insolventen Wiener Unternehmen fast verdoppelt. Die Hochrechnungen für den Spitzenreiter im Bundesvergleich sagen bis Jahresende 1.930 Insolvenzen voraus, 2024 sollen es dann über 2.000 allein in der Bundeshauptstadt sein, so der KSV1870.

Mitarbeiter:innen und Gläubiger sind Leidtragende

Hohe Zahlen gibt es heuer auch bei den „Nichteröffnungen“, also abgewiesenen Insolvenzverfahren aufgrund mangelnder Kostendeckung. 751 Unternehmen waren es heuer in Wien insgesamt. Das Plus von 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr sei „besorgniserregend“. Dieser nunmehr bereits mehrere Jahre anhaltende Trend konnte bislang noch nicht gestoppt werden.

“Es wird einfach zu oft zu lange zugewartet, bis ein Insolvenzantrag tatsächlich gestellt wird. Die Leidtragenden sind in erster Linie die Gläubiger, die ihre Forderungen zur Gänze abschreiben müssen, sowie die ihren Arbeitsplatz verlierenden Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen“, erklärt KSV1870-Experte Jürgen Gebauer.

Kosten sind „Keyfactor“: Gründe und betroffene Branchen

Sinkende Geschäftslage, eine Umsatzentwicklung, die „tendenziell nach unten zeigt“ sowie eine „schrumpfende Auftragslage“ seien laut KSV der Keyfactor für die finanzielle Lage. Österreichs Wirtschaftsentwicklung befinde sich zum jetzigen Zeitpunkt „in vielen Bereichen am Scheideweg“, fasst Ricardo-José Vybiral, CEO des KSV1870, die aktuelle Situation zusammen. Dass es der Wirtschaft so gehen wird, sei aber zu erwarten gewesen, erklärt er in einer Aussendung. „In Zeiten einer hohen Volatilität gepaart mit einem Mix an schwierigen Rahmenbedingungen sind wir seitens des KSV1870 zu Jahresbeginn von einem Anstieg der Firmenpleiten im niedrigen zweistelligen Prozentbereich ausgegangen. Und dieser ist wie erwartet eingetreten.“

(c) KSV1870

Besonders im Handel treiben ein hoher Energiebedarf und die stark sinkende Kaufkraft die Insolvenzen in die Höhe. Erstmals seit Jahren sind es heuer nur hier allein über 1.000 Insolvenzen. Dicht gefolgt wird die Branche von der Bauwirtschaft mit 936 Fällen, die von Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz, als „Sorgenkind“ bezeichnet wird. Verschärfte Rahmenbedingungen und hohe Zinsen seien hier, abgesehen von hohen Baukosten, die Gründe, so Götze. Die Gastronomie leidet unterdessen als drittes Sorgenkind unter akutem Personalmangel und verändertem Konsumverhalten der Gäste. Hinzu kommt, wie brutkasten berichtete, dass Corona-Förderungen massiv genutzt wurden und sich die Betriebe so über Wasser halten konnten – das fällt jetzt weg.

So sehen die Erwartungen zu Insolvenzen 2024 aus

Wie auch schon für 2023 werden im nächsten Jahr wieder wachsende Insolvenz- und Passivazahlen erwartet. Die aktuellen Hochrechnungen prognostizieren zwischen 5.800 und 6.000 Firmenpleiten.

„Was es jetzt braucht, ist ein frischer ‚Drive‘, um die Leistungsfähigkeit der heimischen Wirtschaft anzukurbeln“, meint Vybiral. Impulse für den Export, Stärkung der Bauwirtschaft und des Handels sollen Österreich aus dem „Stottermodus“ holen, heißt es. 2024 soll außerdem ein richtungsweisendes Jahr in Bezug auf Insolvenzen werden. So werde man abschätzen können, welche Auswirkungen insolvente Bauunternehmen auf Österreich haben. Als „Taktgeber“ für die wirtschaftliche Situation, sei die Branche neben Inflations-Einflüssen, wie dem Nahost-Konflikt und dem Krieg in der Ukraine, maßgeblich für weitere Entwicklungen.

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Analyser, CSRD, EU-Taxonomie
(c) - PwC Österreich -Das Konsortium des Projekts "Analyser" beim Kick-Off.

Die Regeln der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die in den kommenden Jahren sukzessive schlagend werden, bedeuten für zahlreiche österreichische Unternehmen eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei vielen von diesen – auch jene, die freiwillig schon früher als erforderlich mit der Umsetzung starten – werden Schwierigkeiten erwartet, die Anforderungen zu erfüllen, da insbesondere KMU nicht über ausreichend Kapazitäten für interne Nachhaltigkeitsabteilungen verfügen würden.

CSRD und Taxonomie

Dies gilt im Besonderen für die EU-Taxonomie, die ergänzend zur CSRD anzuwenden ist. Gemäß ihr müssen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens als nachhaltig oder nicht-nachhaltig deklariert werden.

Die Verordnung umfasst umfangreiche und detaillierte Kriterien, die für Ungeübte nicht leicht zu verstehen sind. Deshalb will in einem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt namens “AI Enabled Sustainability Jurisdiction Demonstrator” (Analyser) ein Forschungskonsortium KI-basierte Module entwickeln. Die sollen es auch ungeschulten Anwenderinnen und Anwendern ermöglichen, die gesetzlichen Meldepflichten zu erfüllen. So soll eine Erleichterung für Unternehmen erzielt werden.

“Das oberste Ziel unseres Projekts ist es, die Zahl der KMU zu erhöhen, die selbstständig in der Lage sind, die EU-Taxonomie in guter Qualität zu berichten”, erklärt Maximilian Nowak, der das Projekt bei Fraunhofer Austria leitet.

Das Konsortium

Das Konsortium, bestehend aus Fraunhofer Austria, Universität Innsbruck, Technischer Universität (TU) Wien, Leiwand AI, PwC Wirtschaftsprüfgesellschaft, der Wirtschaftsagentur Niederösterreich ecoplus, Murexin und Lithoz wird dafür Teile des Prozesses mithilfe von Künstlicher Intelligenz automatisieren. Ein Chatbot, der auf einem eigens kreierten Sprachmodell beruht, soll mit den Anwenderinnen und Anwendern im Dialog stehen und sicherstellen, dass alle benötigten Dokumente vorliegen.

Es sind nämlich viele Fragen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu klären: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gibt es im Unternehmen? Wie umfangreich sind diese? Welche davon sind taxonomiefähig, können also überhaupt nach den Kriterien bewertet werden?

Josef Baumüller, der von Seiten der TU Wien an dem Projekt beteiligt ist, sagt: “Es ist vielen noch nicht bewusst, wie komplex die Anforderungen zunächst an die Datenerhebung und anschließend an die Klassifizierung sind. Die Prozesslandschaft im Unternehmen muss erfasst und auf die Vorgaben der EU-Taxonomie übergeleitet werden, darüber hinaus gilt es, relevante Datenbedarfe zu identifizieren und im Sinne der Effizienz v.a. bereits vorhandene Datenbestände zu nützen.”

CSRD-Berichterstattung eine Herausforderung

Dass eine Unterstützung der Unternehmen unumgänglich ist, sagt auch Stefan Merl von der PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: “Wir spüren bereits jetzt eine massive Zunahme in den Anfragen von Unternehmen, insbesondere von KMU, die sehen, dass die Erfüllung der CSRD-Berichterstattungspflichten eine große Herausforderung ist. Es führt kein Weg daran vorbei, eine automatisierte Lösung zu entwickeln, die weit über den Automatisierungsgrad bestehender Tools hinausgeht. Genau das wollen wir im Projekt ‘Analyser’ verwirklichen.”

Dabei ist essenziell, dass die im Tool eingesetzte KI fair, nachvollziehbar und korrekt arbeitet. Dafür soll Leiwand AI GmbH die nötige Expertise in das Projekt einbringen.

“In einer so kritischen Angelegenheit wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es besonders wichtig, dass auch Maßnahmen hinsichtlich einer zuverlässigen und fairen KI-Lösung getroffen werden. Durch den Einsatz verschiedener Methoden rund um nachhaltige und vertrauenswürdige KI werden wir dazu beitragen, dass der ‘Analyser’ gesicherte Informationen liefert, fair in Bezug auf Bias und Diskriminierung ist und im Einklang mit dem EU AI Act steht”, sagt Mira Reisinger, Data Scientist bei Leiwand AI.

Das Projekt ist im Herbst 2024 gestartet, läuft über drei Jahre und wird durch die FFG aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.

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