09.03.2021

“2 Minuten 2 Millionen” und die Frage: Bewertet man Tech-Startups anders?

In dieser Folge von "2 Minuten 2 Millionen" ging es um eingenähte Stoffservietten, Speed-Taschen und um Babynahrung. Zudem kam es zwischen den Juroren zu einem kleinen Diskurs, ob eine höhere Firmenbewertung bei Tech-Startups gerechtfertigt sei.
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Probando, 2 Minuten 2 Millionen, Klinische Studien, Forschung, Forscher, Probanden gesucht, Probanden
(c) PULS 4/Gerry Frank - Ist eine höhere Bewertung bei Tech-Startups "out of space" oder berechtigt?
kooperation

Die erste auf der “2 Minuten 2 Millionen”-Show-Bühne war Petra Häuslmayer. Gemeinsam mit ihrem Sohn Lino – der als kleiner Erfinder gilt – entwickelte sie mit dem Startup Niloo eine “Sauber-Zauber-Kinderkleidung”. In den Kinderjacken sind Stoffservietten eingenäht, die durch einen Reißverschluss versteckt werden können. Die Ärmel sind darüber hinaus kindgerecht gestaltet, denn der Verschluss ist als geschlossener Mund eines Tieres namens Nilo integriert. Die Forderung: 70.000 Euro für 25,1 Prozent.

Idee ein Verhaltensproblem bei Kindern?

Nach dem perfekten Pitch von Mutter und Sohn erklärte die Gründerin, dass sie eigentlich die Kleidung produzieren lassen würde, aber auch ein Nähsäckchen für Näh-Liebhaber als Goodie in Planung wäre, um Niloo selbst einzunähen. Konkret geht es um das Mund- und Nasenabwischen bei Kindern. Niloo soll als eingenähte Serviette die Kleidung schützen und Kindern als Möglichkeit dienen, sich bei Bedarf genau dort abzuwischen.

Diese Idee sah Nachhaltigkeits-Experte Martin Rohla als Problem. Durch die eingenähte Serviette würde dieses Verhalten sich an Kleidern abzuwischen gefördert werden, so der Investor. Dem widersprach die Gründerin und erklärte, dass es sich bei ihrer Idee um eine Unterstützung für Eltern handelt.

Kontakt zur Modekette

Neu-Investor Alexander Schütz stieg als erster aus. Auch Wunsch-Investorin Katharina Schneider ging ohne Angebot. Hotelier Bernd Hinteregger erzählte von seinem Schwager, der bei einer großen Modekette arbeite. Er würde die Gründerin mit ihm “connecten”. Auch Rohla wollte helfen und bot seine Expertise an, um das Geschäftsmodell zu konkretisieren.

Niloo
(c) PULS 4/Gerry Frank – Petra Häuslmayer erfand eingenähte Stoffservietten für Kinderjacken.

Medienunternehmer und Aufsichtsrat des SOS-Kinderdorfs Stefan Piëch sah eine Notwendigkeit das Produkt weiterzuentwickeln. Auch er bot seine Hilfe an, Niloo zu bewerben. Dann schaltete sich Daniel Zech von 7 Ventures zu und lud die beiden Pitcher ins Startup-Village ins Donauzentrum und Shopping City Süd ihr Produkt vorzustellen. Aber, kein Deal für Niloo.

Tab-Reinigungsmittel bei “2 Minuten 2 Millionen”

Die zweiten bei “2 Minuten 2 Millionen” waren Nicolas Pless und Jannes Meier von Klaeny. Dabei handelt es sich um Reinigungsmittel in Tablettenform. Es gibt fünf verschiedene solcher Tabs im Sortiment für verschiedene Anwendungsbereiche. Hinter dem Unternehmen steht ein starker Nachhaltigkeitsgedanke, um Einweg-Reinigungsplastikflaschen – laut Gründern werden in Deutschland 40 Plastikflaschen pro Haushalt im Jahr verbraucht – zu einem alten Relikt zu machen. Man benötigt als Kunde eine herkömmliche Flasche mit Leitungswasser; die Reinigungstabs lösen sich innerhalb von rund fünf Minuten auf und das Putzmittel ist da. Die Forderung: 200.000 Euro für fünf Prozent.

Klaeny, 2 Minuten 2 Millionen
(c) PULS 4/Gerry Frank – Das Startup Klaeny bietet Reinigungsmittel in Tablettenform an.

Nach der Demonstration erklärten die Gründer, dass ihr natürlicher Reiniger einem herkömmlichen um Nichts nachstehen würde. Ein Klaeny-Set besteht aus sechs Tabs und drei Flaschen. Kapital benötigt das Startup für die Produktentwicklung und Marketing.

Doch noch ein Angebot

Martin Rohla meinte, dass die Idee von der Konkurrenz leicht zu kopieren sei. Auch Schütz sagte, dass das Unternehmen zu klein sei, um zu überleben. Beide stiegen aus. Auch Hinteregger sah zu viel Risiko für einen Investor. Piëch bot an, sie mit einer Impact-Bank aus Deutschland zu vernetzen. Katharina Schneider hingegen machte ein Angebot: 50.000 Euro für 2,5 Prozent. Deal für Klaeny.

Freiwillige für klinische Studien gesucht

Die nächsten bei “2 Minuten 2 Millionen” waren Manuel Leal Garcia und Matthias Ruhri mit Probando. Dabei geht es eine Online-Plattform zur Rekrutierung von Studienteilnehmern für die medizinische Forschung – und mittlerweile auch andere Bereiche in Sachen Marktforschung. Die Rekrutierung von Probanden für klinische Studien ist für Forscher in der Regel mit vielen Herausforderungen verbunden. Dazu zählen unter anderem strenge regulatorische Hürden. Forscher dürfen beispielsweise nicht über sozialen Medien potentielle Probanden anwerben. Die Folge ist, dass neun von zehn Studien ihr Rekrutierungsziel in der gewünschten Zeit nicht erreichen und sich bei 80 Prozent der klinischen Studien Ergebnisse signifikant verzögern. Deshalb versuchen die Gründer Probanden mit Forschern zu vernetzen. Die Forderung: 300.000 Euro für 23 Prozent Anteile.

Probando
(c) PULS 4/Gerry Frank – Manuel Leal Garcia und Matthias Ruhri vernetzen mit Probando Probanden mit Forschern.

Probando verfügt über eine Datenbank von 200 Probanden und konnte bisher drei Studien abwickeln. Winzer Leo Hillinger störte sich an der Bewertung der Gründer, die einerseits damit argumentierten, dass der Markt in diesem Bereich 50 Milliarden US-Dollar schwer wäre. Zudem werde ein Startup nicht bloß nach aktuellen Umsätzen bewertet, sondern auch nach “future”. Man würde auch davon ausgehen, dass ihr Produkt skalierbar sei. Nicht bloß in Österreich, sondern auch in Deutschland und global Potential hat.

Andere Bewertungs-Maßstäbe für Tech-Startups?

Dem letzten Punkt stimmte Schneider zu; Gschwandtner verwies darauf, dass es sich um ein Tech-Startup handele, und die Bewertung da anders zu sehen sei. Nach diesem kurzen Exkurs in Sachen Firmenbewertung und der Vorführung der Plattform stieg Hans Peter Haselsteiner aus. Er sei nicht affin in dem Bereich. Katharina Schneider wollte auch nicht investieren, würde aber eventuell Kundin werden. Alexander Schütz fand gefallen an der Idee, wobei er die Bewertung “out of space” nannte. Er bot 100.000 Euro für 25,1 Prozent.

Rund 300.000 Euro Umsatz geplant

Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner klassifizierte Probando korrekt als eine Art Marktplatz, bei dem Forscher und Unternehmen aus Auftraggeber auftreten. Einnahmen macht das Startup durch Gebühren für eine Listung auf der Plattform. Für nächstes Jahr ist ein Umsatz von rund 300.000 Euro geplant.

Das “ernste” Angebot bei “2 Minuten 2 Millionen”

Der Tech-Investor verstand zwar, dass es sich bei Probando um eine Tech-Firma handele, er aber mit der Bewertung dennoch ein Problem habe. Danach bot er 100.000 Euro für zwölf Prozent Beteiligung. Die folgende Frage vom überbotenen Schütz, ob das sein Ernst sei, beantwortete der aktuelle Tractive CGO mit einem knappen “Ja”.

Ein Investor gibt sich geschlagen

Hillinger meinte, es sei an der Zeit sein Geld in diesen wilden Zeiten in solche Bereichen zu investieren. Er schloss sich Gschwandtner an. Schütz gab sich darauf geschlagen. Die Gründer berieten sich kurz mit zwei weiteren Co-Foundern und nahmen an. Deal für Probando.

Babybrei bei “2 Minuten 2 Millionen”

Die vorletzten bei “2 Minuten 2 Millionen” waren Andrea Kumhera und Thomas Gigl von Happa Happa. Sie produzieren einen Bio-Babybrei, der ungekühlt haltbar ist. Für die Entwicklung des Babybreis hat die Gründerin gemeinsam mit Kinderärzten zusammengearbeitet. Für die Produktion in einer österreichischen Bio-Manufaktur werden nur regionale Zutaten genutzt. Die Forderung der Founder: 100.000 Euro für 20 Prozent.

Happa Happa, 2 Minuten 2 Millionen
(c) PULS 4/Gerry Frank – Andrea Kumhera und Thomas Gigl stellten ihren Bio-Baby-Brei aus Österreich vor.

Schneider wies darauf hin, dass Babynahrung-Regale stets voll waren, was für einen harten Markt spreche. Kumhera argumentierte, dass neben dem bekannten Marktführer Platz für hochqualitative Babynahrung wäre.

Startup-Ticket für Happa Happa

Nach einer kurzen Fragerunde meldete sich Markus Kuntke zu Wort. Der Trendmanager verteilte das Bipa-Startup-Ticket und rief die Investoren dazu auf, einzusteigen. Der “Opa” der Sendung Haselsteiner verabschiedete sich trotzdem. Er fand das Produkt zwar gut, hatte aber keine Ahnung, wie er helfen könne.

Gründer mit eigenem Vorschlag

Schneider war die zweite die ging. Hinteregger wollte danach 26 Prozent Anteile der Firma und bot 80.000 Euro. Martin Rohla indes schlug vor, dass er, Hinteregger und Schütz für insgesamt 30 Prozent 100.000 Euro bei Happa Happa mitmachen. Die Gründer kehrten mit einem Vorschlag nach kurzer Beratung zurück. Sie offerierten 25 Prozent Abgabe für 100.000 Euro.

“Ein strategischer Fehler”

Rohla erklärte, dass die Gründer soeben einen strategischen Fehler machen. Das Investment der Juroren wäre “high risk” und sie wären nicht bereit zu verhandeln. Nach dieser Aussage stimmten die Gründer dem Ursprungs-Angebot doch zu. Deal für Happa Happa.

“Die schnellste Kameratasche der Welt”

Die letzten bei “2 Minuten 2 Millionen” waren Michael Bösendorfer und Iris Fritz. Sie haben mit Herr Michl eine aus PET-recyceltem Filz bestehende Kameratasche hergestellt. Das Besondere: Der Gurt der Tasche ist zugleich der Gurt der Kamera. Durch das Design soll es möglich sein, die Kamera mit nur einer Bewegung aus der Tasche zu ziehen. Damit sei sie ideal für Berufs- und Hobbyfotografen geeignet, die ihre Kamera schnell bei der Hand haben wollen. Für die “schnellste Kameratasche der Welt” wollten die Gründer zwischen 150.000 und 200.000 Euro für 20 Prozent.

Auch Taschen für Smartphones

Dieses ungewöhnliche Angebot irritierte die Investoren, sodass sich die Gründer schlussendlich auf 150.000 Euro für 20 Prozent Beteiligung festlegten. Bis zum Zeitpunkt der Aufzeichnung wurden bisher 200 Taschen verkauft, das meiste auf Messen und über den Onlineshop. Neben der Tasche für große Kameras haben die Gründer auch eine kleinere Version fürs Smartphone entwickelt. Während sich Schneider eben diese konkreter ansah, meldete sich Daniel Zech von 7 Ventures wieder. Er erzählte von der Beteiligung seines Unternehmens an Shöpping.at und bot an, die Tasche in eine Premium-Listung aufzunehmen.

“Die fatale Antwort”

Danach gab es auf die Frage, wie es mit dem ROI aussehe, eine fatale Antwort der Gründer, wie Martin Rohla es nannte. Hinteregger wollte kurz und knapp wissen, wann mit einem Return des eingesetzten Kapitals zu rechnen sei. Bösendorfer meinte, dass sie es nicht genau wüssten und sich das nicht detailliert durchgerechnet hätten. Es käme darauf an, welche Variante der Taschen sie verkaufen würden.

Rohla startete darauf eine kleine Lehrstunde über die Sinnhaftigkeit eines Business-Plans. Die Gründer erklärten danach, dass sie ohne Investment rund 100.000 Euro Gewinn pro Jahr schaffen könnten. Mit Hilfe könnte man diese Zahlen steigern.

2 Minuten 2 Millionen, Herr Michl
(c) PULS 4/Gerry Frank – Michael Bösendorfer und Iris Fritz ermöglichen es mit Herr Michl die Kamera für Schnappschüsse in Windeseile griffbereit zu haben.

Haselsteiner war der erste, der ging. Rohla mochte das Produkt, verabschiedetet sich aber auch ohne Angebot. Fotografie wäre nichts für ihn. Hinteregger meinte, er würde die Taschen in seinen Hotel-Shops aufnehmen. Er und auch Schneider fielen aber auch als Investoren aus. Der Letzte im Investorenbund Alexander Schütz nannte die Tasche ein “high-end”-Produkt und machte folgendes Angebot: 50.000 Euro für 25,1 Prozent Anteile. Die Gründer lehnten ab. Daraufhin erklärte Schütz, er würde dann zumindest die fünf Taschen im Studio erwerben und sie den Juroren schenken. Kein Deal für Herr Michl.

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Konflikte, Konflikte in Unternehmen, Mediation, Mediator, ostal
(c) Stock.Adobe/gnublin - Es gibt verschiedene Arten von Unternehmenskonflikten.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe unseres Jubiläum-Printmagazins – “Wegbereiter”. Eine Downloadmöglichkeit findet sich am Ende des Artikels.


Es war nur eine Bemerkung am Rande – doch sie schwillt an und gärt wie verfaulendes Obst. Und sie wird bleiben, wird weitere Verletzungen aufnehmen und wachsen; sich steigern, bis sie zum Problem und dann klar benennbar für alle zu einem fassbaren Begriff wird. Erst dann wird man es Konflikt nennen, obwohl der Beginn schon viel früher vollzogen war. Mit dieser einen Bemerkung am Rande.

Laut Definition im Duden ist ein Konflikt „das Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassungen, Interessen oder eine ähnlich entstandene schwierige Situation, die zum Zerwürfnis führen kann“. Dies ist auch die allgemeine Auffassung im kollektiven Bewusstsein von Gesellschaften. Dabei wird aber oft übersehen, dass ein Konflikt je nach Bereich weitaus mehr Ebenen hat.

Für Jürgen Dostal, Konfliktexperte und Gründer von Proconsens.at, sind es im unternehmerischen Umfeld andere Dynamiken als im Privaten, die vor allem das Arbeitsklima massiv beeinflussen können. Personen fühlen sich seinen Erkenntnissen nach in ihren Werten oder im Handeln eingeschränkt oder gar gemobbt, während anderen oftmals gar nicht bewusst sei, dass es eine Art von negativer Interaktion gegeben hat. Da kann es zu interpersonellen oder gar IntergruppenKonflikten (Abteilungen, Teams) kommen, mit der möglichen Folge, sich gegeneinander auszuspielen – ohne die wahren Gründe für die Unstimmigkeiten zu thematisieren.

Die Konfliktarten

Passend dazu hat das HR-Startup Personio eine Unterteilung des Begriffs in verschiedene Punkte vorgenommen. Konflikte können in Unternehmen zwischen Mitarbeiter:innen gleicher Ebene (Kolleg:innen) entstehen, zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden oder zwischen ganzen Teams bzw. Abteilungen. Das Konfliktmanagement unterscheidet daher zwischen einer ganzen Reihe von Konfliktarten.

Bei Sachkonflikten handelt es sich um unterschiedliche Auffassungen in Sachfragen, etwa um die beste Methode, eine Aufgabe zu erledigen, oder welches Feature als Nächstes in ein Produkt eingebaut werden soll.

Beziehungskonflikte nennt man den Zustand, wenn das zwischenmenschliche Verhältnis gestört ist. Sie fußen meist auf negativen Erlebnissen oder Vorurteilen und sind oft nur Ausdruck anderer, unterbewusster Konflikte. Missverständnisse in der Kommunikation sind eine weitere Konfliktart, in der beteiligte Parteien schlicht falsche Schlüsse aus dem Gesagten ziehen.

Ressourcenkonflikte nennt man es, wenn Mitarbeiter:innen die Verteilung der Unternehmensressourcen persönlich als ungerecht empfinden.

Bei Zielkonflikten wiederum prallen verschiedene Abteilungen aufeinander – etwa wenn eine mit Kürzungen zu hadern hat, die andere jedoch auf die Arbeit ihrer Kolleg:innen angewiesen ist, um Firmenziele zu erreichen (z. B. Development vs. Vertrieb).

Wertekonflikte sind indes geprägt von persönlichen Moralvorstellungen, die zu Zwistigkeiten führen können, wenn Führungskräfte oder die Belegschaft entgegen persönlicher Einstellungen handeln.

Die Studie „Konfliktkultur in Österreichs Unternehmen“, die Jürgen Dostal und sein Team mit 300 Teilnehmer:innen (66 Prozent Führungskräfte) ausgearbeitet haben, zeigt eines der Grundprobleme in unternehmensspezifischen Konfliktfällen: Leader subsumieren im Wesentlichen unterschiedliche Interessenslagen (77 Prozent) bzw. Interaktionen, bei denen sich mindestens zwei Akteur:innen beeinträchtigt sehen, als Konflikt. Nur 48 Prozent der Befragten folgen der Auffassung, dass ein Konflikt auch dann vorliegt, wenn sich von mehreren Personen lediglich eine beeinträchtigt sieht. Damit würden rund die Hälfte der Manager:innen spezielle Vorfälle wie Mobbing oder das „Getroffensein von Bemerkungen“ nicht als Konflikt ansehen – mit möglichen weitreichenden Folgen.

Was innen passiert, bleibt innen

Hier geht es, in anderen Worten, um Beispiele, in denen sich Personen durch vereinzelte Aussagen von Kolleg:innen oder Führungskräften irritiert fühlen und ihre Irritation nicht artikulieren; oder, falls doch, die Situation nicht als „Konflikt aus dem Inneren“ wahrgenommen wird. Ungelöste und unterbewusste (unerkannte) Konflikte beeinträchtigen das Arbeitsklima, weiß Dostal. Sie senken die Zufriedenheit am Arbeitsplatz und auch die Produktivität, erhöhen die Fluktuation im Team, erzeugen Stress und gefährden die Gesundheit (Anstieg der Krankenstände); was schlussendlich zu einer schlechteren Qualität im Unternehmen führt und stark dem Firmenimage schadet.

Konflikte
(c) Proconsens.at – Jürgen Dostal von Proconsens.at

„Dort, wo Konflikte bestehen, ziehen sich Menschen zurück“, sagt er, „mit negativen Auswirkungen. Spannend ist ja, dass über 60 Prozent unserer Befragten sagen, dass sie nicht mit entsprechenden Skills ausgestattet sind, um Konflikte zu lösen.“ Dabei wären es laut dem Mediator ganz einfache Kommunikationsfähigkeiten, die es braucht, um Probleme anzugehen. „Es ist nicht kompliziert“, führt Dostal weiter aus. „Man muss sich Zeit nehmen und kommunizieren. Es geht nicht darum, den Konflikt ‚wegzureden‘, sondern um ein aktives Zuhören und ein Verstehen, worum es den beteiligten Personen geht. Das Problem hier ist, dass jahrzehntelang Führungskräfte bestellt wurden, nicht um zu führen; sie wurden aus einer traditionellen Rolle des Expertentums heraus rekrutiert, aber ohne in Führungsskills zu investieren. Viele Gründe für Konflikte liegen jedoch spezifischer vergraben und brauchen Skills, um erkannt zu werden.”

Für Diana-Maria White, Rechtsanwältin, Verteidigerin in Zivil- und Strafsachen und Wirtschaftsmediatorin, sind Konflikte im Job-Kontext etwas „strukturell Normales, wie sie bereits im Oktober 2023 im brutkasten-Talk erklärte. Man gehe mit fremden Menschen eine Bindung ein, die man privat gar nicht kenne. „Die Eskalation des Konflikts kommt dann durch subjektive Befindlichkeiten“, sagte sie damals. „Er geht manchmal aus Nichtigkeiten los und schaukelt sich auf. Wenn der Konflikt verfestigt ist, bekomme ich ihn teilweise nicht mehr gelöst.“

Eskalationsstufen beim Konflikt

Der Konfliktforscher Friedrich Glasl beschreibt in diesem Sinne die Eskalation eines Konflikts in neun Stufen, die sich in drei Hauptphasen gliedern. Die erste Phase ist geprägt von gelegentlichen Spannungen bis hin zu heißen Debatten, in denen sich Streitende gegenseitig unter Druck setzen. Hier können dem Forscher zufolge Konflikte noch konstruktiv gelöst werden.

Die zweite Phase öffnet das Persönliche – das Ziel ist nun, den Konflikt zu gewinnen; dabei werden Werkzeuge wie Drohungen, Sanktionen und Machtspiele eingesetzt. In so einem Fall wird eine Partei als „Verlierer“ aus dem Konflikt scheiden, was zu einem zerrütteten Arbeitsklima und gestörtem Arbeitsverhältnis führt – mit Auswirkungen auf die Produktivität.

In der dritten und heftigsten Phase wollen alle Beteiligten einander nur noch schaden – und sie riskieren damit sogar den eigenen Untergang und den des ganzen Unternehmens. In Zahlen können laut Dostal 72 bis 75 Prozent aller Konflikte gelöst werden.

„Eine Führungskraft kann allerdings nur bis zur Eskalationsstufe 4 helfen, darüber braucht es Mediatoren“, sagt er. „Bei Stufe 7 bis 9 braucht es Expertenteams, da geht es nur mehr ums Vernichten des anderen.“

Für Dostal ist eine Unternehmensmediation unparteiisch und ermöglicht die Entwicklung eines Spektrums von Lösungsmöglichkeiten und Perspektiven mit den größtmöglichen Überschneidungen zwischen Streitenden.

„Wir sprechen unterschiedliche Sprachen, geben Worten unterschiedliche Bedeutungen mit, je nach Erfahrung, Werten, Alter, Hintergrund“, erklärt Dostal. „Am Arbeitsplatz, mit all dem Konkurrenzdenken, kann Emotion eine ganz riesige Rolle spielen. Mediatoren übersetzen, paraphrasieren und stellen die Umstände für die Parteien klarer dar. Es geht darum, ein besseres gegenseitiges Verständnis zu erzeugen.“

Ein ungelöster Konfliktfall

Der Konfliktexperte erinnert sich an einen Fall, der nicht gelöst werden konnte, um präziser zu erläutern, was Unternehmer:innen heute fehlt. Die Causa damals befasste sich mit der Auflösung eines Dienstverhältnisses eines jungen Mitarbeiters, der mehr als 50 Prozent Fehlzeiten zu Buche stehen hatte. Das Spannende an dem jungen Mann war sein Selbstbild, das jedoch nicht mit der Außenwahrnehmung übereinstimmte.

„Die Person hat gedacht, sie könne Dinge viel besser als die anderen, müsse nichts Neues lernen und sei zum Führen bestimmt“, erinnert sich Dostal. „Sie konnte aber nicht nachweisen, dass sie diese Dinge tatsächlich beherrscht.“

Der Mediator sieht in dem jungen Mann von einst ein typisches „Goldlöffelkind“, dem man ständig unreflektiert positives Feedback gegeben hatte – und damit die „Self Perception“ fütterte, fehlerfrei zu sein.

„Niemand agiert fehlerfrei“, betont Dostal. „Doch der junge Mann konnte Kritik nicht annehmen. Es war spannend zu beobachten, denn die Wahrnehmung des jungen Mitarbeiters ist seine persönliche Realität; und das müssen Arbeitgeber realisieren und lernen, mit Menschen umzugehen.

Konkret geht es öfter auch darum, gewisse Dinge aus der Vergangenheit einer Person zu kompensieren. Dazu muss man eine neue Art des Führens lernen. Als ‚Arschloch-Chef’ – Sternekoch Tim Raue hat den Begriff geprägt – hat man heute keinen Erfolg mehr. Es braucht keinen mehr, der brüllt, sondern einen, der konstruktives Feedback liefern kann; auch bei Menschen, die Schwierigkeiten haben, mit Kritik umzugehen.“

„Konflikte benötigen Reife“

Alles andere könne zu einer veritablen Persönlichkeitskrise führen, in der sich vor allem junge Personen verletzt zurückziehen. „Um Konflikte zu lösen, benötigt es Reife“, so Dostal. Eine Reife, über die Lisa Smith vom Lieferketten-Startup Prewave verfügt, ruft man sich ihre Worte aus dem November 2023 in Erinnerung: Ein Jahr zuvor war sie mit ihrem Scaleup in ein größeres Office gezogen und musste mit ihrem FlexDesk-System über 100 Leute unter einen Hut bringen.

„Da sind ein paar Sachen aufgekommen und wir haben versucht, aufeinander zuzugehen“, erzählte sie damals über den Firmenumzug. Für die Gründerin war es in diesen Konfliktsituationen wichtig, das Gespräch zu suchen und als ersten Schritt herauszufinden, was überhaupt passiert ist, so ihr Zugang: „In größeren Firmen wird das aber immer schwieriger. Wichtig ist, das Gegenüber zu verstehen, damit man konstruktiv zusammenarbeiten kann; um den gemeinsamen Blick auf den Weg in die Zukunft zu richten und den Konflikt zu begraben.“

Prewave hat in der Vergangenheit bei Streitfällen konkret die HR-Abteilung involviert und die Parteien zu direkten Gesprächen geladen. „So direkt wie möglich und nicht über die Team-Leads“, betonte Smith. „Wir überlegen uns immer, was eine rasche, pragmatische Lösung sein kann.“

Kämpfe und Warnzeichen

Weniger pragmatisch war ein anderes Beispiel aus Dostals Erlebnisrepertoire: Ein Unternehmen hatte es für eine gute Idee gehalten, konkurrierende Ziele zwischen den Abteilungen auszurufen, und hat die einzelnen Abteilungen gegeneinander ausgespielt. „Man wollte sehen, ob sie in der Lage sind, mehr Energie aufzubringen“, erinnert sich der Mediator. „Sie haben sich jedoch hart bekämpft; letztendlich gab es nur Stillstand.“

Deswegen sei es gemäß eines modernen Leaderships nicht nur essenziell, sich Konfliktlösungsskills, wie oben beschrieben, anzueignen, sondern auch auf Warnzeichen zu achten – wie es Personio in seiner Ausführung vorschlägt.

Warnzeichen sind: Mitarbeiter:innen reden nicht mehr miteinander. Sie äußern sich negativ und herablassend übereinander. Mitarbeitende zeigen in ihrer Mimik und ihrer Körpersprache Ablehnung. Sie missachten bewusst Entscheidungen oder Arbeitsanweisungen – und reagieren aggressiv; beim kleinsten Anlass gibt es Streit.

„Wenn Konflikte am Arbeitsplatz frühzeitig erkannt und konstruktiv behandelt werden, wirken sie sich durchaus positiv auf ein Unternehmen aus“, rät Personio. „Konflikte zeigen, wo Veränderungsbedarf besteht, und erhöhen den Druck auf die Beteiligten, zu handeln. Sie zwingen, sich im Konfliktmanagement mit möglichen Lösungen auseinanderzusetzen. Dabei werden oft neue, kreative Ansätze gefunden.“

Positiv sei, so Dostal, dass sich Führungskräfte und Mitarbeitende im DACH-Raum entsprechende Skills zur Konfliktlösung wünschen. „Es gibt eine hohe Bereitschaft, besser mit Konflikten umzugehen“, sagt er. „Wenn die Effektivität im Umgang mit Konflikten nicht besteht, führt dies zu schwerwiegenden Problemen, die in Unternehmen für weitaus höhere Kosten sorgen können, als wenn man Grundlagen schafft und Führungskräfte mit Konfliktlösungsskills ausstattet – und zwar mit jenen, die auch mit unterschiedlichen Werten, Emotionen und Hintergründen umgehen können.“


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