23.04.2019

“Der Quantencomputer führt zu einer Algorithmokratie mit Digital-Diktatoren”

Interview. Philosoph und Wirtschaftsberater Anders Indset zu politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen, die aus den Anwendungen der Quantenforschung hervorgehen.
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Anders Indset - Quantentechnologie
(c) Anders Indset: Der Wirtschaftsphilosoph auf der Bühne

Anders Indset berät internationale Unternehmer und politische Entscheidungsträger zu Technologiefragen und liefert angesehene Vorschläge für den politischen und gesellschaftlichen Umgang mit der Quantentechnologie. Der brutkasten hat mit dem Norweger über die Chance Quantentechnologie gesprochen.

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Der Quantenzug scheint wirklich mit Lichtgeschwindigkeit zu fahren. Wie schafft es Europa, ihn nicht zu verpassen?

Anders Indset: Ich glaube, dass es aus wirtschaftlicher Sicht darum geht, Risikobereit­schaft zu zeigen und sich auch zu trauen, zu investieren. Bis jetzt war man hier ziemlich zurückhaltend. Man muss aber auch sagen, dass die Initiativen der Europäischen Union und auch insbesondere der Österrei­cher sehr positiv sind. Vor allem in Innsbruck erkennt man das Potenzial. Es geht jetzt darum, dass wir diese internationale Reise mitgestalten und von Anfang an in entsprechend kompetente Menschen investieren.

“Ich sehe die hiesige Aufrecht­erhaltung der Demokratien eher als Bewahren und Verwalten.”

Welche politischen Voraussetzungen braucht es deiner Meinung nach dazu?

Ich bin kein großer Fan der heutigen politischen Strukturen, wenn es um Leadership und Veränderungen geht. Ich sehe die hiesige Aufrecht­erhaltung der Demokratien eher als Bewahren und Verwalten. Wir haben in Europa, besonders gut spürbar in Merkels Deutschland, aber auch in Österreich ein grundsätzlich stabiles Management. Deswegen geht es uns wirtschaftlich gut, deswegen herrscht auch gewisse Stabilität, trotz der großen Herausforderungen und der Komplexität.

Geht es jedoch um neue Herausforderungen, ums Probieren und Scheitern, um Risikobereitschaft, dann wünsche ich mir Gestalter des Wandels, wie ich sie gerne nenne. Das sind klare Führungspersönlichkeiten, die auf technologischem Gebiet vorangehen. Ich glaube, dass wir in dieser Hinsicht Menschen brauchen, die verstehen, dass die zukünftige Politik global zu bestreiten ist. Eines ist nämlich klar: Ist ein Quantencomputer erst einmal einsetzbar, dann wird es noch viel mehr als jemals zuvor in der Ge­schichte um “The winner takes it all” gehen.

Es werden alle materialistischen Dinge irrelevant, weil unsere Produkte nach und nach perfekt werden. Die Margen werden so klein sein wie heute Zinsen, weil es nur noch um die Optimierung der Algorithmen geht. Hat ein Land, ein Unternehmen, ein Entwickler dann sechs Monate Vorsprung, ist das wie 1000 Jahre bei heutigen klassischen Technologien. Also: Sollte es in der Form gelingen, einen echten Quantencomputer zu entwickeln, dann ist es fatal, nicht dabei zu sein.

“Ein leistungsstarker Quantencomputer führt zu einer umfassenden Algorithmokratie mit Digital-Diktatoren.”

Anders Indset - Quantencomputer
(c) Anders Indset

Du siehst also eine Voraussetzung in der globalen Zusammenarbeit zwischen den USA, Europa und Asien?

Ja, richtig. Da wird sich gesellschaftlich grob etwas ändern müssen. Ein Beispiel: Die DDR ist deswegen untergegangen, weil sie keine gute Distribution von Daten hatte. Das moderne China ist heute so effizient und effektiv, weil es funktioniert wie die DDR, nur dass alle Bürger ein Mobilgerät in der Hosentasche haben und überall Kameras hängen. Dieses System ist schon heute überaus verlockend. Wenn wir sehen, wie erfolgreich China wirtschaftlich ist, werden das Pakistan und Indien adaptieren, auch die afrikanischen Länder. Ich war letzte Woche in Ungarn, dort wird das ein Orbán als interessant erachten. Wenn es mit den USA in die Krise geht, wird dem auch Trump nachgeben. Ein leistungsstarker Quantencomputer führt zu einer umfassenden Algorithmokratie mit Digital-Diktatoren. Diese wird sich rapide verbreiten und den Machthabern immer mehr Macht geben.

“Ich denke, wir brauchen einen deutlichen Konterpart zum Überwachungssystem in China.”

Und: Eine Demokratie kann man mit ein bisschen Tam Tam und Mani­pulation zum Wanken bringen, eine Algorythmokratie werden wir aber nie abschalten können. Ich denke, wir brauchen einen deutlichen Konterpart zum Überwachungssystem in China. Wir brauchen die Bereitschaft Europas, ein adäquates politisches System aufzusetzen, das aus genügend Technologie besteht, aber auch genügend Integration und Freiheit für die Menschen garantiert, damit diese einen Gestaltungsspielraum behalten. Die Eigenschaften unserer heutigen Demokratie, die ausgelegt ist auf Machtkämpfe im Vierjahresturnus, mit Kurzfristigkeit, die auf Parteipolitik setzt, helfen uns in der neuen Welt nicht mehr weiter. Wir brauchen eine globale, klar technologische und humanistische Ausrichtung. Da kann und muss Europa als Leader vorangehen und einen Vorschlag machen, wie wir das gestalten können. Darin, denke ich, besteht die größte Chance für Europa – in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht.

Anders Indset im brutkasten-Video-Talk:

Live Talk mit Anders Indset über Quantenwirtschaft – was kommt nach der Digitalisierung, vom Innovation Day der Casinos Austria und Österreichische Lotterien!

Gepostet von DerBrutkasten am Donnerstag, 4. April 2019

⇒ Zur Page des Wirtschaftsphilosophen

Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form als Cover-Story im brutkasten Print-Magazin #8 “Quantensprünge”.

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Das "Expedition Zukunft"-Team, Annamaria Andres (erste links) | (c) FFG

In Zeiten großer gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Herausforderungen braucht es mutige Ideen, die nicht nur schrittweise verbessern, sondern bestehende Systeme grundlegend neu denken. Genau hier setzt das Förderprogramm „Expedition Zukunft“ der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) an. Annamaria Andres, die das Programm maßgeblich mitentwickelt hat, betont: “Die EU und auch Österreich sind sehr gut in inkrementellen Innovationen und Grundlagenforschung, doch es braucht auch disruptive Ansätze, um die Welt zu einem besseren, gerechteren und nachhaltigeren Ort zu verändern.”

Mehr als inkrementelle Verbesserungen

Das Ziel von “Expedition Zukunft” ist es, Projekte zu unterstützen, die einen echten Paradigmenwechsel bewirken können. Während traditionelle Innovationsprogramme oft auf Verbesserungen bestehender Technologien und Prozesse abzielen, sucht „Expedition Zukunft“ nach bahnbrechenden Ideen. Es geht darum, mit komplett neuen Ansätzen die jetzigen Herausforderungen anzugehen. Diese Herausforderungen könnten technologischer, gesellschaftlicher oder ökologischer Natur sein.

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Zwei Wege in die Zukunft: #START – Business Edition und #INNOVATION

Das Programm gliedert sich in mehrere Ausschreibungsschienen. Hier ein Überblick zu zwei Förderschienen, die sich besonders für Gründer:innen von Startups und KMU eignen:

  • #START – Business Edition: Hier können Gründer:innen und KMU einreichen, die ganz am Anfang stehen. Sie haben eine visionäre Idee, aber noch kein ausgearbeitetes Konzept. Es geht darum, die Durchführbarkeit zu testen – nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch in Bezug auf soziale Aspekte, strategische und rechtliche Rahmenbedingungen. Für diesen Schritt stellt die FFG bis zu 80.000 Euro zur Verfügung.
  • #INNOVATION: In dieser Schiene wurde ein Problem bereits klar definiert, die Lösung ist jedoch noch offen. Mit einer Förderung von bis zu 150.000 Euro bei einer Förderquote von 50 Prozent unterstützt das Programm die Lösungsfindung in Zusammenarbeit mit relevanten Stakeholdern. Hier geht es um iterative Innovationsprozesse, wie zum Beispiel Open Innovation und Design Thinking, um eine optimale Lösung für eine Zielgruppe oder ein disruptives Geschäftsmodell zu entwickeln.

Weitere Ausschreibungsschienen findet ihr auf der Programm-Website.

Mut zum Risiko und zur Veränderung

Disruptive Innovationen sind riskanter als schrittweise Verbesserungen. Sie bewegen sich oft in unklaren rechtlichen Rahmenbedingungen, müssen neue Märkte erschließen und kulturelle Veränderungen anstoßen. Diese bahnbrechenden Ideen haben ein höheres Umsetzungsrisiko. Deshalb bietet das Programm neben finanzieller Unterstützung auch umfassende Beratungsservices und Expeditionsguides.

Die Expeditionsguides sind Expert:innen, die die geförderten Projekte begleiten. Neben der individuellen Begleitung bietet das Programm auch Netzwerktreffen, bei denen sich die Fördernehmer:innen untereinander austauschen können.

Von der Vision zur Umsetzung

Ein zentrales Kriterium für die Förderung ist der Mut zur großen Vision. Dahingehend werden Fördernehmer:innen gesucht, die größer denken und bereit sind, neue Wege zu gehen. Diese Vision muss auch einen gesellschaftlichen oder ökologischen Mehrwert bieten. Es geht nicht nur um Profit, sondern um Impact – sei es in der Umwelt, der Gesellschaft oder der Wirtschaft.

Ein Beispiel für solche visionären Projekte sind Innovationen in der Raumfahrt, der Krebsbekämpfung, sozialen Inklusion oder Pflegekonzepte für eine alternde Gesellschaft.

Solche Ideen stoßen jedoch oft auf große gesellschaftliche Herausforderungen. So stellt beispielsweise die Bereitschaft der Menschen, eingefahrene Verhaltensmuster zu ändern, eine Hürde dar. Genau hier setzt das Programm an, um den notwendigen Wandel zu unterstützen und den Weg für zukunftsweisende Innovationen zu ebnen.

Unterstützung, die über Geld hinausgeht

Neben der finanziellen Förderung bietet „Expedition Zukunft“ auch umfangreiche Beratungsleistungen. Dazu gehören Workshops zu Geschäftsmodellen, Strategieberatung oder Hilfe bei IP-Fragen. So soll sichergestellt werden, dass die Projekte nicht nur technisch funktionieren, sondern auch erfolgreich umgesetzt werden können.

Das Programm „Expedition Zukunft“ vernetzt die Teilnehmenden gezielt mit relevanten Partner:innen aus Wirtschaft, Forschung und öffentlichem Sektor. Ein starkes Netzwerk aus Wirtschaftsagenturen, Ministerien und internationalen Partnern unterstützt dabei, die richtigen Kontakte zur richtigen Zeit zu knüpfen – oft der Schlüssel zum Erfolg eines Projekts.

Bewerbungsfrist und Kriterien

Die Einreichfrist für die #START Business Edition endet am 28. Januar um 12:00 Uhr. Die Schiene #INNOVATION ist als laufende Ausschreibung angelegt. Bewerber:innen müssen neben einer bahnbrechenden Idee auch den Willen mitbringen, Risiken einzugehen und groß zu denken. Diversität, gesellschaftlicher Impact und die Bereitschaft zur Veränderung sind entscheidend.

Abschließend merkt Andres an: “Wir suchen Visionär:innen, die bereit sind, die Welt zu verändern. Die Expedition Zukunft ist für diejenigen, die über den Tellerrand hinaus denken, die mutig sind und größer denken. Wer bereit ist, sich dieser Herausforderung zu stellen, findet in dieser Initiative der FFG nicht nur einen Förderer, sondern einen Partner auf dem Weg in die Zukunft.”

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