14.12.2015

Silicon Valley – Das Tal der Einhörner

Das Silicon Valley ist die Oase Kaliforniens – im wahrsten Sinne des Wortes. Das Tal im Golden State ist die wirtschaftliche Hoffnung der USA.
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muddymari - Fotolia.com

Während der Rest des US-Bundesstaates an der Westküste mit den Folgen der jahrelangen Dürre und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft und Umwelt kämpft, zeichnet sich in der nördlichen Region ein ganz anderes Bild ab.

Hier boomt der Arbeitsmarkt, Immobilienpreise schießen in die Höhe und ständig poppen neue Unternehmen auf. Dieses Phänomen bestätigt eine aktuelle Wählerumfrage:

  • 60 Prozent der Bürger Kaliforniens sind demnach mit der wirtschaftlichen Situation unzufrieden,
  • 57 Prozent können ihren Lebensstandard gerade so aufrecht erhalten.

Das dürfte allerdings nicht für die Bewohner der San Francisco Bay Area gelten. Hier liegt das Durchschnittseinkommen bei 116.033 US-Dollar pro Jahr, drei Millionen Einwohner und knapp 1,5 Millionen Arbeitsplätze gibt es in der Gegend laut dem Silicon Valley Index 2015. Zu verdanken ist das den Technologie-Startups, die sich seit Jahrzehnten hier ansiedeln um Investoren zu finden und Innovationen zu schaffen.

Geburt der Startup-Szene im Silicon Valley

Das erste Startup dürfte wohl 1957 gegründet worden sein. Acht Entwickler starteten mit ihrem Unternehmen “Fairchild Semiconductor” die Produktion von Silizium-Chips für Computer. Ein Banker half den Gründern bei der Finanzierung und stellte Risikokapital – “Venture Capital” auf. Die Startup-Szene war geboren, den Namen hat Silicon Valley dem Chip-Entwickler zu verdanken. Erst 19 Jahre später gründeten Steve Jobs und Steve Wozniak in Los Altos Apple, heute das wertvollste Unternehmen der Welt.

Elite-Universitäten als Grundlage der Startup-Mentalität

Für das Ökosystem waren nicht nur mutige Unternehmer ausschlaggebend, sondern auch die Elite-Unis, die diese anzogen – oder auch heranzogen. Die University of Stanford ist für ihre Computerwissenschaften bekannt und vermittelt auch Unternehmertum, Berkeley zählt ebenfalls zu den international anerkannten Hochschulen im Norden der Bay Area. Im Valley hat jeder Fünfte einen Hochschulabschluss, in den USA nur jeder Zehnte. Wer ein Stanford-Studium hat, wenn auch abgebrochen, dem ist ein Investment sicher, heißt es in der Szene. Denn das Geld ist der unentbehrliche Innovationstreiber im Valley.

Als die Bedeutung der Technologisierung immer absehbarer wurde, stellten Investoren ganze Fonds auf, um die Entwickler finanziell zu unterstützen und ein Geschäft daraus zu machen. Bill Draper gründete Anfang der 60er Jahre die erste Institution, in den 70er Jahren siedelten sich die Kapitalgeber an der mittlerweile berühmten Sand Hill Road in Palo Alto an. Drapers Sohn Tim zählt heute ebenfalls zu den renommiertesten VCs in den USA.

Silicon Valley: Immer auf der Suche nach “dem nächsten großen Ding”

Es sind die Beteiligungen an Unternehmen, die bei Börsegängen und Unternehmensverkäufen immer wieder Gründer und Mitarbeiter zu Millionären und Investoren noch reicher machen, die letztlich auch das System erhalten. Steckt der Europäer sein überschüssiges Budget gern konservativ in Immobilien, so unterstützen die Kalifornier lieber das nächste große Ding. Das passiert nicht nur aus eigennützigen Gründen, sondern vor allem wegen der “Giving Back”-Mentalität, die hier herrscht: Wer Erfolg hat, teilt diesen mit der Gemeinschaft. Neid ist im Silicon Valley ein Fremdwort.

Tal der Einhörner

Heutzutage ist das Silicon Valley auch das Tal der Einhörner. Als “Einhorn” wird ein Startup bezeichnet, das mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet wird. Uber ist mit 51 Milliarden US-Dollar das aktuell wertvollste Unternehmen, das noch nicht an der Börse gelistet ist. Airbnb liegt bei 25 Milliarden US-Dollar, das Security-Startup Palantir Technologies bei 20 Milliarden US-Dollar. Dass die Einhörner in San Francisco und Palo Alto beheimatet sind, beflügelt die Branche insgesamt. “Als Startup musst du hier sein”, antworten Gründer gern auf die Frage, warum sie hierher ziehen. Die Immigration sehen Experten übrigens auch als wichtigen Faktor für die Innovation der Wirtschaftsregion.

Den VCs wird wiederum nachgesagt, dass sie zu stolz sind, um sich international umzusehen und damit rechnen, dass sowieso jeder gute Unternehmer einmal hier landen wird. Und obwohl hier so viel Kapital fließt wie in keinem anderen Tech-Hub, zählen für die Startups, die hier landen, auch die weiteren Möglichkeiten: Co-Working- Spaces und Accelerator-Programme gelten als Orte des Austauschs, durch die auch immer wieder neue Ideen entstehen. Der Inkubator Y Combinator hat mit Airbnb oder Dropbox weltweit bekannteste Tech-Unternehmen groß gezogen. Inkubatoren wie 500 Startups und Plug & Play konzentrieren sich vor allem darauf, internationale Talente im Silicon Valley beim Aufbau zu unterstützen.

Gründerszene

Ein österreichischer Unternehmer, der hier einen Exit hatte, ist Markus Wagner. 2006 verkaufte er sein Mobile Startup 3United an Verisign, 2009 kehrte er nach Österreich zurück und gründete i5invest, den ersten heimischen Inkubator. Mittlerweile ist der Startup-Förderer wieder in Palo Alto.

Seine Mission: Europäischen Startups auf dem Weg ins Valley zu helfen. “Viele amerikanische Firmen interessieren sich für Europa und Asien als Expansionsmarkt. Das ist eine Chance für uns”, sagt der Investor. Die Szene werde sich auch in Zukunft auf Silicon Valley konzentrieren, Österreich solle deshalb auch nicht versuchen, nachzueifern. Wer ein gutes Produkt hat, kann es in der Bay Area verkaufen, ist sich Wagner sicher. Trotzdem warnt der i5-Manager, dass der Markt langsam auch in Nordkalifornien überhitzt wird. Die Dürre könnte also auch die Tech-Oase treffen. Bis dahin arbeiten die Gründer weiter an Innovationen, die die Welt verändern – und wahrscheinlich auch danach.

Silicon Valley Facts

  • Einwohner: Region Silicon Valley: 3
    Millionen (Schätzung 2015)
  • Größe: circa 4800 Quadratkilometer
    Zeitverschiebung. Die Zeit im Silicon
    Valley ist neun Stunden hinter Wien.
  • BIP pro Kopf: Das Pro-Kopf-Einkommen
    im Silicon Valley ist mit rund
    75.100 $ höher als im Rest der USA.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


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