04.07.2017

nxtControl: “Von Anfang an klar, dass Exit irgendwann notwendig sein wird”

Hintergrund. Nach der Übernahme der niederösterreichischen DeepTech-Firma nxtControl durch den französischen Konzern Schneider Electric hat der Brutkasten mit Founder Horst Mayer und den beteiligten Lead-Investoren gesprochen.
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© Michael Beck: (vlnr.) Arnold Kopitar (Geschäftsführer, nxtControl), Estelle Monod (VP Mergers & Acquisitions, Schneider Electric), Horst Mayer (CEO, nxtControl), Doris Agneter (Geschäftsführerin, tecnet equity), Herbert Gartner (Managing Director, eQventure) und Jürgen Milde-Ennöckl (Investment Manager, tecnet equity)

Das Produkt des im niederösterreichischen Leobersdorf ansässigen DeepTech-Unternehmens nxtControl ist für Normalverbraucher eher schwer greifbar. “Bei allem, was in der automatisierten Fertigung und vielen anderen Industriebereichen gesteuert und bewegt wird, gibt es natürlich eine Software im Hintergrund. Die erzeugen wir.” – So fasst nxtControl-Gründer Horst Mayer es in einfachen Worten zusammen. Die Software, die das Unternehmen anbietet, ist dabei nicht proprietär. Sie arbeitet innerhalb der internationalen Industrienorm IEC 61499. Und in der Umsetzung dieser Norm ist das niederösterreichische Unternehmen weltweit Technologieführer. “Wir waren ein Pionier in der Implementierung der Norm. Mit einem unabhängigen Produkt hätten wir es als kleine Firma gar nicht erst versuchen brauchen”, erklärt Mayer.

+++ 8-stelliger Exit: Schneider Electric kauft niederösterreichische nxtControl +++

“Es war von Anfang an klar, dass der Exit irgendwann notwendig sein wird.”

“Investoren-Setup entscheidend”

Von der Gründung des Unternehmens 2007 bis zum nun erfolgten Exit an den französischen Konzern Schneider Electric im achtstelligen Euro-Bereich war es dennoch ein langer Weg. Dabei ging Mayer von Beginn an strategisch vor: “Es war von Anfang an klar, dass der Exit irgendwann notwendig sein wird. Die Frage war nur, wann und an wen”, erzählt Mayer. Denn so eine Software im B2B-Bereich gewinne erst an Wert, wenn das Produkt entsprechend eingesetzt werde. Man müsse sich über einen langen Zeitraum beweisen. Dann käme aber der Punkt, an dem man als kleine Firma nicht mehr weiterkomme. Daher sei auch das Investoren-Setup von Beginn an entscheidend gewesen. Man habe den richtigen Mix aus Privatinvestoren und VCs mit unterschiedlichen Interessenslagen gefunden, die sich gegenseitig gut beeinflusst hätten.

Warten auf das perfekte Timing

Das sieht man auch bei den beiden Lead-Investoren, dem niederösterreichischen Landes-VC tecnet equity und der Grazer eQventure, so. Tecnet ist als klassischer VC klar Exit-getrieben. Damit sei schon bei der ersten Seed-Finanzierung für nxtControl 2009 der Weg vorgegeben gewesen. Man habe sich aber Zeit gelassen, auf das perfekte Timing zu warten. “In der Automatisierung dauern die Entwicklungszyklen extrem lange. Wir haben den Vorteil, dass wir einen ‘evergreen fund’ haben, also jederzeit reinvestieren können und nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt an Investoren auszahlen müssen”, erklärt Jürgen Milde-Ennöckl von Tecnet, der bei den Verhandlungen dabei war.

Redaktionstipps

“Bei einem schönen Exit sagt man auch nicht nein”

Anders ist es bei eQventure. “Ich bin kein VC, ich bin Unternehmer”, erklärt Herbert Gartner, Mitgründer der Beteiligungsgesellschaft, die er als “Investment Club für Unternehmer” bezeichnet, bei dem rund 60 Drittinvestoren dabei seien. Ob eine Beteiligung auf einen Verkauf hinausläuft, oder Anteile an Unternehmen als Dividendenbringer gehalten werden, sei bei eQventure zunächst stets offen. Doch: “Bei einem schönen Exit sagt man auch nicht nein”, sagt Gartner. Bei nxtControl sei durch die Co-Investition mit tecnet und die Strategie der Firma jedoch von Anfang an klar gewesen, was das Ziel sei. Entsprechend habe man sich auch die investorenseitige Betreuung von nxtControl mit tecnet aufgeteilt. Die Zusammenarbeit sei dabei immer hervorragend gewesen, sagen Gartner und Milde-Ennöckl. “Wenn man sich gut kennt, kann man den meisten Mehrwert für Startups bringen”, sagt Milde-Ennöckl.

“Man muss in solchen Verhandlungen immer ein Spannungsdreieck aufbauen”

Weniger Risiko bei DeepTech-Investments

Wie bei tecnet, wird auch bei eQventure betont, dass es bei Investments im DeepTech-Bereich einen langen Atem brauche. “Die Wette ist, dass der Markt für die neue Technologie kommen wird. Und das dauert meist viele Jahre. Statistisch gesehen sind DeepTech-Investments aber weniger riskant als Beteiligungen an B2C-Firmen und dabei mindestens genau so lukrativ”, sagt er. Auch die Verhandlungen zum nxtControl-Exit seien entsprechend langwierig gewesen. “Man muss in solchen Verhandlungen immer ein Spannungsdreieck aufbauen”, erklärt Gartner. Das sei in diesem Fall dadurch gelungen, dass es mehrere Kauf-Interessenten gegeben hätte.

“Lachende Gesichter” auf allen Seiten

Diese wiederum kamen nicht plötzlich. Mit Schneider Electric, das letztendlich den Zuschlag erhielt, arbeitete nxtControl bereits seit dem zweiten Geschäftsjahr zusammen. “Vor einem Jahr kam dann ein konkretes Angebot”, erzählt nxtControl-Founder Horst Mayer. Herbert Gartner habe ihm immer gesagt: “Du wirst gekauft. Du kannst dich nicht verkaufen”. Nur sei der richtige Zeitpunkt da gewesen. Als kleines Unternehmen hätte nxtControl nicht dauerhaft überleben können. Die Verhandlungen hätten dann dennoch einen erheblichen zeitlichen und nervlichen Aufwand für ihn bedeutet, erzählt Mayer. Jetzt gebe es auf allen Seiten lachende Gesichter.

“Ich gehe definitiv nicht in Frühpension. Jetzt geht es erst richtig los”

Wachstum und neue Mitarbeiter

Und für Mayer endet die Geschichte nicht hier. Im Gegenteil: Man könne die Vision nun auf einem neuen Level weitertragen. “Ich gehe definitiv nicht in Frühpension. Jetzt geht es erst richtig los”, sagt er. Denn nxtControl und Mayers Team wird im Rahmen des Schneider-Electric-Konzerns weiterbestehen und plant, in nächster Zeit stark zu wachsen. Auch die bestehenden Kunden werde man behalten – selbstverständlich seien die Spielregeln nun aber etwas adaptiert, räumt Mayer ein. Als ersten Schritt such man im Moment vier bis fünf neue Mitarbeiter. “Ich gehe davon aus, dass das noch nicht reichen wird”, sagt Mayer. Trotzdem wolle man auch hier nicht überstürzt handeln.

+++ Gründer haben die Wahl: Kontrolle oder Wachstum +++

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Die Verwendung von Kohlefaser in der Industrie hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie. Kohlefaser überzeugt durch ihre hohe Festigkeit bei geringem Gewicht, doch ihre Herstellung ist ressourcenintensiv und teuer. Ein großes Problem stellt der hohe Verschnitt bei der Produktion dar: In der Industrie landen im Durschnitt bis zu 30 Prozent der Rohstoffe im Abfall. Diese Materialverluste sind nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern auch aus ökologischer Sicht problematisch, da Kohlefaser biologisch nur schwer abbaubar ist.

Carbon Cleanup setzt auf KI

Das 2020 gegründete Linzer Startup Carbon Cleanup rund um Gründer Jörg Radanitsch hat sich diesem Problem angenommen und zum Ziel gesetzt, Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen aufzubereiten und wiederverwendbar zu machen. Konkret hat das Startup eine mobile Aufbereitungsanlage entwickelt, um Carbonfasern direkt vor Ort beim Kunden aufzubereiten. 

Zum Herzstück der Anlage gehört nicht nur die mechanische Aufbereitung der Kohlenstofffasern. Im Hintergrund läuft auch eine Software, die eine KI-gestützte visuelle Erkennung der zugeführten Rohstoffe ermöglicht.

“Wir haben ein KI-generiertes Datenblatt entwickelt, das automatisch die Charakteristika von eingehendem Material erkennt und den Wert des Rezyklats bestimmt“, so Radanitsch. “Bevor das Material in unsere Anlage kommt, wissen wir schon, welche mechanischen Eigenschaften es haben wird. Das ist entscheidend für die Qualität und den Marktwert des Endprodukts.”

Gründer Jörg Radanitsch | (c) Carbon Cleanup

Entwicklung der zweiten Generation an Anlagen

Während die erste Anlage des Unternehmens für R&D-Zwecke dient und über eine Kapazität von 30 Tonnen pro Jahr verfügt, konnte das Unternehmen über den Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen. „Unsere zweite Anlagengeneration ist im August fertiggestellt worden. Die Produktionskapazität ist dreimal so hoch wie bei unserer ersten Anlage. Damit sind wir jetzt in der Lage, deutlich mehr und auch verschiedene Kompositabfälle zu verarbeiten.“

Besonders stolz ist Radanitsch auf die gestiegene Materialqualität: „Das neue Aggregat ist viel stärker, was uns mehr Flexibilität bei der Verarbeitung der Materialien gibt. Wir können jetzt eine Vielzahl an Abfällen effizienter recyceln, was die Qualität der Produkte erheblich verbessert.“

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Carbon Cleanup war die Unterstützung durch die Austria Wirtschaftsservice (aws). “Das Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice hat uns erlaubt, nicht nur unsere Forschung und Entwicklung voranzutreiben, sondern auch in Marketingaktivitäten zu investieren, die für uns als Hardware-Startup besonders wichtig sind“, erklärt Radanitsch.

Luftfahrtindustrie und Kooperation mit KTM Technologies

Eine der spannendsten Entwicklungen bei Carbon Cleanup ist der Einsatz ihrer recycelten Materialien im 3D-Druck, besonders in der Luftfahrtindustrie. “Wir liefern im Tonnenmaßstab Kunststoffgranulate, die mit unserer Rezyklatfaser verstärkt sind. Diese werden in großen 3D-Druckern verwendet, um Formen zu bauen, die dann für die Produktion von Flugzeugteilen genutzt werden”, so der Gründer.

Zudem arbeitet Carbon Cleanup mit dem österreichischen Motorradhersteller KTM zusammen. Gemeinsam arbeiten beide Unternehmen an einem geschlossenen Materialkreislauf, bei dem Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle von KTM Technologies recycelt und für die Herstellung neuer Bauteile genutzt werden. Spezifisch handelt es sich um das Recycling der Teile des Rennmodells “X-Bow GT2”, dessen Rahmen zu 100 % aus Carbonfasern besteht. Durch Unfälle entsteht eine große Menge an beschädigtem Material, das normalerweise als Abfall betrachtet wird. Mit der Partnerschaft von KTM und Carbon Cleanup wird dieses Material zurück in den Kreislauf gebracht. 

(c) Carbon Cleanup

“KTM Technologies war von Anfang an ein Vorreiter. Sie testen unsere recycelten Materialien bereits erfolgreich in ihren Motorrädern“, betont Radanitsch.

Das Besondere an dieser Kooperation ist das sogenannte Closed-Loop-Material, das zu 100 Prozent aus dem Abfallstrom von KTM Technologies besteht. „Die Herausforderung ist, die Materialien zirkulär zu sammeln und in die Produktion zurückzuführen. Das Sammeln und die Qualität sind dabei entscheidend. Aber wir haben gezeigt, dass wir sogar leistungsfähigere Materialien aus Abfall herstellen können”, so der Gründer.

(c) Carbon Cleanup

Die nächsten Schritte von Carbon Cleanup

Das Geschäftsmodell von Carbon Cleanup basiert derzeit auf zwei Einnahmequellen: Zum einen bietet das Unternehmen Kunden einen Recycling-Service an, bei dem diese für die umweltgerechte Entsorgung des Materials bezahlen. Dafür wurde eine eigene Logistikstruktur aufgebaut. Zum anderen werden die Faserverbundkunststoffe an weitere Abnehmer verkauft. Derzeit liefert das Startup 98 Prozent der aufbereiteten Granulate ins Ausland. “Für eingehendes Material sind die Hauptmärkte neben Österreich vor allem Deutschland und Italien. Der Materialzufluss ist für uns derzeit jedoch kein Engpass, sodass wir gezielt das für uns passende Material auswählen können”, so der Gründer abschließend.


*Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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