01.12.2015

Startup-Szene in London: Goldrausch an der Themse

London, die „TechCity”, ist der wichtigste Startup-Hub in Europa. Der Milliarden-Boom betrifft vor allem den Finanzsektor, der von Startups aufgemischt wird.
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In der Londoner Startup-Welt setzt man auf Understatement, lockeren Umgang, legere Kleidung, unaufgeregte Büros und viel Humor. Die Gewinner lassen sich den Erfolg auf den ersten Blick nicht anmerken. Unruly ist eines der Unternehmen, die es in London geschafft haben. 2006 gegründet, vermarktet es Werbevideos
im Internet. Das Hauptquartier liegt in Shoreditch, in einer Seitengasse der von Bars und trendigen Kleidungsshops übersäten Brick Lane. Das Großraumbüro ist luftig und erinnert an ein einziges, riesiges Arbeitszimmer mit roh belassenen Ziegelwänden. Die Star-Wars-Figuren Prinzessin Leia und Darth Vader markieren Damen- und Herrenklos.

Es herrscht die in der Startup-Welt typische Lässigkeit, die von den Größenordnungen ablenkt: Unruly hat über 200 Mitarbeiter an 15 Standorten und wurde im September für 160 Millionen € aufgekauft. “Wir sind ein gutes Beispiel dafür, wie Tech-Unternehmen aus UK groß werden können”, so die Mitgründerin Sarah Wood anlässlich des Deals. Es beweise, “dass die nächste Generation von Entrepreneuren nicht im Silicon Valley sein muss, um Millionen-Bewertungen zu bekommen”.

Boom um “Silicon Roundabout”

Das Herz der Startup-Szene liegt im Nordosten der City of London, rund um die hektische U-Bahn-Station Old Street. Die Gegend wird wegen der hohen Dichte an Startups auch “Silicon Roundabout” genannt, eine Anlehnung an den mehrspurigen Kreisverkehr an der Oberfläche – und an das Selbstbewusstsein, das die Unternehmer in sich tragen. Mit dem Silicon Valley in den USA kann es London zwar noch nicht aufnehmen – laut dem 2015 Global Startup Ecosystem Ranking liegt die Stadt an weltweit sechster Stelle. Für Europa ist London aber der mit Abstand wichtigste Hub: Es gibt über 275.000 Startups, die laut Startup Hubs Europe 1,5 Millionen Menschen beschäftigen und heuer bereits mehr als 1,4 Milliarden € an Kapital erhalten haben. Der European Digital City Index 2015 (EDCI) reiht London an erster Stelle in Europa, vor Amsterdam, Stockholm, Helsinki und Kopenhagen.

FinTech-Startups legen in London zu

London punktet als internationales Finanzzentrum. Die Risikokapital-Industrie ist weiter entwickelt als im Rest Europas und trifft auf eine starke Präsenz von Finanzdienstleistern – was eine Reihe von erfolgreichen “FinTech”-Startups hervorgebracht hat. FinTech, das ist eine nicht ganz neue Branche, die sich seit den 1990er Jahren damit beschäftigt, Finanzdienstleistungen mit neuen, heute oft Internet-basierten Technologien zu revolutionieren. Noch nie dagewesen sind die Dimensionen: Weltweit haben sich die FinTech-Investitionen innerhalb eines Jahres verdreifacht – von rund 3,6 Milliarden € im Jahr 2013 auf 11 Milliarden € vergangenes Jahr. Laut Accenture und CB Insights entfällt der Hauptteil auf die USA, wobei Europa das stärkste Wachstum – ein Plus von 215 Prozent – verzeichnete. Außerhalb der USA ist Großbritannien die treibende Kraft hinter dem FinTech-Boom, mit London als wichtigstem Hub. Die Investitionen sind seit 2008 landesweit drei Mal so schnell gewachsen wie im Silicon Valley und haben bis zum ersten Halbjahr 2015 über 1,3 Milliarden € ausgemacht.

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Neue Stars

Der Superstar der Branche ist ein Startup namens Transferwise, das weltweit für Schlagzeilen sorgt. Es gehört zur Liga der 13 in London ansässigen „Unicorns” – Jungunternehmen, die mehr als eine Milliarde US-Dollar wert sind. Die Gründer haben es darauf abgesehen, die hohen Kosten für Auslandsüberweisungen mit Web-Technologie zu verbannen und die Bankenbranche zu “disrupten” – also das zugrundeliegende, vermeintlich überholte Geschäftsmodell mit dem eigenen Produkt zu (zer)stören. Transferwise ist damit weit gekommen, es hat laut eigenen Angaben rund 85 Millionen € erhalten und bis Mitte 2015 mehr als 4,2 Milliarden € an Überweisungen gehandhabt. Armin Handler ist einer von ihnen. Der Österreicher hat in London jahrelang als Investmentbanker gearbeitet, bei JPMorgan und Goldman Sachs. Seit seinem Ausscheiden aus der Konzernwelt widmet sich Handler voll und ganz Transpaygo, einem Startup mit Wiener Wurzeln. Er war von Anfang an als Investor und Berater aktiv, nun ist er Managing Partner.

Transpaygo ist ursprünglich ein Online-Dienst mit demPortalnamen Fonmoney, über den man Handy-Guthaben international aufladen kann. Das Unternehmen lanciert nun einen Online-Bezahldienst, der es unter anderem auch Migranten ermöglichen soll, Geld schneller und günstiger mittels Überweisung in die Heimat zu schicken. Ein Angriff auf etablierte Konzerne wie etwa Western Union. Zum Interview kommt Handler mit dem Fahrrad, er trägt Jeans und Pullover. In dem Café seiner Wahl sitzen vor allem junge Leute, vertieft in Apple-Laptops. “Die Leute in der Startup-Szene sind smart und extrem innovativ, aber gleichzeitig sehr offen. Jeder hilft hier jedem, es gibt ein Miteinander statt einem Gegeneinander”, sagt Handler. Das hänge natürlich auch damit zusammen, dass alle auf der Welle des Erfolgs reiten.

Kooperation als Grundprinzip im “Silicon Roundabout”

Doch Kooperation sei eines der Grundprinzipien im Silicon Roundabout, so der Unternehmer. Wer ein FinTech-Unternehmen aufziehen will, der komme an London kaum vorbei: “Die Finanzwelt ist in London zuhause, es gibt hier mehr Banken als in jeder anderen Stadt und im Bereich Fremdwährungen ist London führend. Für FinTech ist es die Welthauptstadt mit einer absoluten Vorreiterrolle”, sagt Handler. Hier seien beide Welten in Fußdistanz zu erreichen: Die “Square Mile”, das Finanzzentrum, und die Innovationswirtschaft in Shoreditch. “In den USA sind diese zwei Welten auf die Ost- und Westküste aufgeteilt, da hat London einen riesigen Vorteil”.

Doch es geht nicht nur um FinTech. London ist der wichtigste Hub für Startups in Europa, und dafür gibt es laut Handler eine einfache Erklärung: “Die Regierung in Großbritannien hat sehr früh damit begonnen, Anreize für Startups zu schaffen und es ist hier viel einfacher, ein Unternehmen zu gründen als etwa in Österreich. Das Investitionsklima ist angenehm, es gibt genügend Risikokapital, Angel-Investoren und Inkubatoren”.

Hartes Pflaster

Der Boom in der “Tech-City” rund um den Silicon Roundabout ist spürbar – jene, die das große Los bereits gezogen haben und jene, die hart am Durchbruch arbeiten, sind nah beieinander. Die Erfolge sollen nicht darüber hinwegtäuschen: Das Pflaster an der Themse ist hart. Unter Startups herrscht extrem harter Wettbewerb, nur ein kleiner Teil der Unternehmen überlebt die Gründungsphase, die Kosten – vor allem die Mieten – sind schwindelerregend hoch und die Stadt kann einen schnell wieder ausspucken. Doch wer sich hier behauptet, spielt in der obersten Liga – und kann schnell die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich ziehen.

FACTS

  • Einwohner: 8,6 Mio. Menschen leben in
    London.
  • Größe: 1,572 Quadratkilometer
  • Zeitverschiebung: In London schlägt die
    Uhr zu Wien eine Stunde früher.
  • BIP pro Kopf: Mit einem Bruttoinlandsprodukt
    pro Kopf von 94.100 € hat
    Inner London das höchste in Europa.

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Das "Expedition Zukunft"-Team, Annamaria Andres (erste links) | (c) FFG

In Zeiten großer gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Herausforderungen braucht es mutige Ideen, die nicht nur schrittweise verbessern, sondern bestehende Systeme grundlegend neu denken. Genau hier setzt das Förderprogramm „Expedition Zukunft“ der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) an. Annamaria Andres, die das Programm maßgeblich mitentwickelt hat, betont: “Die EU und auch Österreich sind sehr gut in inkrementellen Innovationen und Grundlagenforschung, doch es braucht auch disruptive Ansätze, um die Welt zu einem besseren, gerechteren und nachhaltigeren Ort zu verändern.”

Mehr als inkrementelle Verbesserungen

Das Ziel von “Expedition Zukunft” ist es, Projekte zu unterstützen, die einen echten Paradigmenwechsel bewirken können. Während traditionelle Innovationsprogramme oft auf Verbesserungen bestehender Technologien und Prozesse abzielen, sucht „Expedition Zukunft“ nach bahnbrechenden Ideen. Es geht darum, mit komplett neuen Ansätzen die jetzigen Herausforderungen anzugehen. Diese Herausforderungen könnten technologischer, gesellschaftlicher oder ökologischer Natur sein.

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Zwei Wege in die Zukunft: #START – Business Edition und #INNOVATION

Das Programm gliedert sich in mehrere Ausschreibungsschienen. Hier ein Überblick zu zwei Förderschienen, die sich besonders für Gründer:innen von Startups und KMU eignen:

  • #START – Business Edition: Hier können Gründer:innen und KMU einreichen, die ganz am Anfang stehen. Sie haben eine visionäre Idee, aber noch kein ausgearbeitetes Konzept. Es geht darum, die Durchführbarkeit zu testen – nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch in Bezug auf soziale Aspekte, strategische und rechtliche Rahmenbedingungen. Für diesen Schritt stellt die FFG bis zu 80.000 Euro zur Verfügung.
  • #INNOVATION: In dieser Schiene wurde ein Problem bereits klar definiert, die Lösung ist jedoch noch offen. Mit einer Förderung von bis zu 150.000 Euro bei einer Förderquote von 50 Prozent unterstützt das Programm die Lösungsfindung in Zusammenarbeit mit relevanten Stakeholdern. Hier geht es um iterative Innovationsprozesse, wie zum Beispiel Open Innovation und Design Thinking, um eine optimale Lösung für eine Zielgruppe oder ein disruptives Geschäftsmodell zu entwickeln.

Weitere Ausschreibungsschienen findet ihr auf der Programm-Website.

Mut zum Risiko und zur Veränderung

Disruptive Innovationen sind riskanter als schrittweise Verbesserungen. Sie bewegen sich oft in unklaren rechtlichen Rahmenbedingungen, müssen neue Märkte erschließen und kulturelle Veränderungen anstoßen. Diese bahnbrechenden Ideen haben ein höheres Umsetzungsrisiko. Deshalb bietet das Programm neben finanzieller Unterstützung auch umfassende Beratungsservices und Expeditionsguides.

Die Expeditionsguides sind Expert:innen, die die geförderten Projekte begleiten. Neben der individuellen Begleitung bietet das Programm auch Netzwerktreffen, bei denen sich die Fördernehmer:innen untereinander austauschen können.

Von der Vision zur Umsetzung

Ein zentrales Kriterium für die Förderung ist der Mut zur großen Vision. Dahingehend werden Fördernehmer:innen gesucht, die größer denken und bereit sind, neue Wege zu gehen. Diese Vision muss auch einen gesellschaftlichen oder ökologischen Mehrwert bieten. Es geht nicht nur um Profit, sondern um Impact – sei es in der Umwelt, der Gesellschaft oder der Wirtschaft.

Ein Beispiel für solche visionären Projekte sind Innovationen in der Raumfahrt, der Krebsbekämpfung, sozialen Inklusion oder Pflegekonzepte für eine alternde Gesellschaft.

Solche Ideen stoßen jedoch oft auf große gesellschaftliche Herausforderungen. So stellt beispielsweise die Bereitschaft der Menschen, eingefahrene Verhaltensmuster zu ändern, eine Hürde dar. Genau hier setzt das Programm an, um den notwendigen Wandel zu unterstützen und den Weg für zukunftsweisende Innovationen zu ebnen.

Unterstützung, die über Geld hinausgeht

Neben der finanziellen Förderung bietet „Expedition Zukunft“ auch umfangreiche Beratungsleistungen. Dazu gehören Workshops zu Geschäftsmodellen, Strategieberatung oder Hilfe bei IP-Fragen. So soll sichergestellt werden, dass die Projekte nicht nur technisch funktionieren, sondern auch erfolgreich umgesetzt werden können.

Das Programm „Expedition Zukunft“ vernetzt die Teilnehmenden gezielt mit relevanten Partner:innen aus Wirtschaft, Forschung und öffentlichem Sektor. Ein starkes Netzwerk aus Wirtschaftsagenturen, Ministerien und internationalen Partnern unterstützt dabei, die richtigen Kontakte zur richtigen Zeit zu knüpfen – oft der Schlüssel zum Erfolg eines Projekts.

Bewerbungsfrist und Kriterien

Die Einreichfrist für die #START Business Edition endet am 28. Januar um 12:00 Uhr. Die Schiene #INNOVATION ist als laufende Ausschreibung angelegt. Bewerber:innen müssen neben einer bahnbrechenden Idee auch den Willen mitbringen, Risiken einzugehen und groß zu denken. Diversität, gesellschaftlicher Impact und die Bereitschaft zur Veränderung sind entscheidend.

Abschließend merkt Andres an: “Wir suchen Visionär:innen, die bereit sind, die Welt zu verändern. Die Expedition Zukunft ist für diejenigen, die über den Tellerrand hinaus denken, die mutig sind und größer denken. Wer bereit ist, sich dieser Herausforderung zu stellen, findet in dieser Initiative der FFG nicht nur einen Förderer, sondern einen Partner auf dem Weg in die Zukunft.”

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