12.10.2017

“Junge Frauen: Hört auf, euch zu entschuldigen!”

Nachdem sie mit 21 Jahren an Krebs erkrankte, gründete Polly Rodriguez Unbound, eine “Sexual Wellbeing Company”. Anfangs wurde sie von männlichen Investoren ausgelacht, inzwischen wird das Startup von der New York Times gelobt und macht 450 000 Dollar Umsatz im Monat. Auf dem IdeaLab spricht Polly mit Der Brutkasten über Vorurteile in der Startup Welt und gibt Tips für junge Gründerinnen.
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(c) pict rider - fotolia.com

Warum ist der Ansatz von Unbound so besonders?

Unbound sieht sich als “Sexual Wellbeing Company”. Wir machen sowohl Sexualität als auch die Produkte, die dazu gehören, zugänglicher für Frauen. Hier geht es zum einen um einen angemessenen Preis. Zum anderen darum, dass sich Frauen nicht eingeschüchtert oder unwohl fühlen, wenn sie unsere Website besuchen. Seit diesem Jahr entwickeln wir auch unsere eigenen Produkte, die ansprechend, sicher und erschwinglich sind.

Ihr sprecht vor allem Millenials an. Eine Zielgruppe also, die als schwer zu erreichen gilt. Was ist eure Strategie?

Das ist wahrscheinlich nicht die strategischste Antwort, aber wir sind diese Zielgruppe. Wir kreieren also genau die Design und User Experience, die wir selbst wollen würden. Inzwischen versuchen wir allerdings, uns vermehrt auch an eine ältere und jüngere Zielgruppe zu wenden.

“Frauen haben angefangen, die Produkte zu designen, die sie selbst gerne sehen möchten”

Was hat dich überrascht, als du dich das erste Mal mit dieser Industrie befasst hast?

Es ist interessant zu sehen, wie viele Frauen sich inzwischen in dieser traditionell sehr männlich geprägten Industrie bewegen. Mich hat zudem überrascht, was für eine große Rolle die Zwischenhändler spielen. Die Industrie ist sehr fragmentiert, es gibt wenige dominante Händler. Zwischenhändler sind also für die hohen Preise von vielen Produkten verantwortlich, obwohl sie eigentlich keinen Mehrwert generieren.

Wie erklärst du dir, dass sich zunehmend Frauen in dieser Industrie bewegen?

Frauen haben angefangen, die Produkte zu designen, die sie selbst gerne sehen möchten. Sie sind einfach unzufrieden mit dem Staus Quo- also starten sie ihr eigenes Business. Ich finde das großartig.

“Viele Leute hatten Vorurteile oder nahmen mich gar nicht ernst”

Was sind deine Erfahrungen als Gründerin mit einem Produkt, dass sich spezifisch an Frauen richtet?

Es war definitiv nicht einfach. Ich stand jeden Tag eine Stunde früher auf und übte vor dem Spiegel, meine Geschichte zu erzählen. Ich wurde mit 21 Jahren mit Krebs diagnostiziert. Die Chemotherapie führte zu einer verfrühten Menopause. Während dieser schwierigen Zeit habe ich im Internet nach Produkten gesucht, mit denen ich meine eigene Sexualität neu entdecken konnte. Und bin dabei immer nur auf diesen scheußlichen Websites gelandet. Das erste Mal als ich diese Geschichte vor einem Raum voller Investoren erzählte, fing ich hinterher an zu weinen. Es war viel Mut nötig, um sich so verletzlich zu machen. Trotzdem hatten viele Leute Vorurteile oder nahmen mich gar nicht ernst. Wir wurden von jedem Accelerator Programm abgelehnt, für das wir uns beworben haben. Und wir haben uns mindestens für 20 beworben.

“In der Startup Welt gibt es nur wenige Mentoren. Und die, die es gibt, sind Männer”

Bevor du Unbound gegründet hast, warst du bei einer Bank und einer Beratung tätig. Wie würdest du dieses Umfeld mit der Start-up Szene vergleichen?

Eine interessante Frage. Es ist ein zweischneidiges Schwert. In großen Unternehmen gibt es zwar mehr Bürokratie, dafür aber auch mehr formelle Unterstützung. Während meiner Zeit als Beraterin hatte ich viele Mentorinnen, die mir geholfen haben. In der Startup Welt gibt es insgesamt wenige Mentoren. Und die, die es gibt, sind Männer. Die waren natürlich nicht daran interessiert, einer jungen Frau zu helfen, die im SexTech Bereich arbeitet.

Weniger als fünf Prozent des gesamten VC Fundings geht an Unternehmen, die von Frauen geführt werden. Liegt das an der mangelnden Diversität in VC Fonds?

VC Funding zu kriegen ist generell schwer, aber als Frau sicher nochmal schwerer. Man würde annehmen, dass Investoren zwischen ihren persönlichen Präferenzen und ihrer Investment Strategie differenzieren können. Aber das ist oft nicht der Fall. Es hat zum Beispiel kein VC Fond verstanden, dass es bei Unbound vor allem darum geht, eine Brand zu kreieren, die Frauen nicht einschüchtert.

Am traurigsten allerdings war es, dass Investorinnen oft sehr ablehnend waren. Viele Angel Investoren sind Frauen- und die waren oft am brutalsten in ihrer Kritik. Dabei sollten doch gerade sie verstehen, warum das, was wir tun, so wichtig ist. Deswegen sind die meisten unserer Investoren letztlich doch Männer.

Inhaltlich und ästhetisch stecht Unbound hervor. Kannst du uns mehr davon erzählen, wie ihr eure Brand etabliert habt?

Ehrlich gesagt war es kein Hexenwerk! Man braucht nur Leute, die eine gewisse emotionale Intelligenz besitzen und verstehen, wie verschiedene Menschen auf unterschiedliche Ansätze reagieren. Frauen haben oft mehr dieser emotionalen Intelligenz, weil wir emphatischer sind. Außerdem sind wir daran gewöhnt, uns um Menschen zu sorgen. Letztlich ging es also darum, sich zu fragen: wenn ich dieses oder jenes auf meiner Landing Page schreibe, wie kommt das an?

Wird an Business Schools zu wenig Empathie und emotionale Intelligenz gelehrt?

Es ist schon komisch- wir sprechen immer über Umsatz, Profit und Zahlen, als wären sie unvereinbar mit Empathie und emotionaler Intelligenz. Dabei werden Unternehmen von Menschen gemacht. Empathie, emotionale Intelligenz und eine Wahrnehmung dafür, was in der Welt passiert, sind Grundvoraussetzungen, um erfolgreich ein Unternehmen aufzubauen.

Werden die besten Gründer also nicht an Business Schools, sondern im wirklichen Leben gemacht?

Das ist ein schwieriges Thema. Als ich bei Deloitte gearbeitet habe, wurde mir gesagt, dass ich ab einem bestimmten Zeitpunkt meiner Karriere einen MBA machen muss. Ich habe denen schnell klar gemacht, dass ich nicht die finanziellen Möglichkeiten dazu habe. Also bin ich zu den 20 besten Leuten im Unternehmen gegangen, die natürlich alle an einer Business School waren. Ich habe sie gefragt, ob sie dort irgendetwas gelernt haben, was sie nicht auch woanders hätten lernen können. Alle haben gesagt: das Netzwerk. Und tatsächlich ist es für Business School Alumni wesentlich einfacher, an Funding zu kommen. Meine Co-Founderin war an der Columbia Business School. Sie hat einfach aus dem Nichts Emails an andere Alumni geschrieben, und jedes Mal folgte die Einladung auf einen Kaffee. Ich währenddessen war einfach Polly Rodriguez aus St Louis- von mir hatte noch nie jemand gehört. Niemand wollte in mich als Person investieren.

Welche drei Tips würdest du jungen Gründerinnen mit auf den Weg geben?

Finde deine Leute. Als Gründerin fühlst du dich oft sehr einsam, das sagt dir am Anfang nur niemand.Viele Frauen geben auf, weil sie damit nicht zurecht kommen. Darum ist es so wichtig, Gleichgesinnte zu treffen. Menschen die mit ähnlichen Problemen kämpfen- und das auch zugeben! Vor allem in New York erzählt dir jeder ständig, wie großartig alles läuft. Da muss man einen Schritt zurücktreten können und fragen: wie geht es dir wirklich?

Sei unnachgiebig. Du wirst wahrscheinlich hundert mal “nein” hören. Wenn du an das glaubst, was du tust, mach weiter. Natürlich muss man auch mal Dinge verändern oder anpassen. Aber mache weiter und lass dich nicht beirren.

Hör auf, dich zu entschuldigen! Ich bin es so leid, dass Frauen sich ständig entschuldigen. Nimm Platz ein. Sei laut, sei präsent, und entschuldige dich nicht dafür, auch einen Platz am Tisch haben zu wollen. Neulich hatte ich ein Meeting mit einer großen Design Firma in New York in einem dieser riesigen Konferenz Räumen. Ich kam von einem anderen Meeting und war deswegen die letzte Person, die den Raum betrat. Auf dem Platz, der als Kunde eigentlich mir zustand, saß ein Mann. Ich habe ihm dann einfach gesagt, dass er bitte aufstehen soll. Und mich dafür nicht entschuldigt.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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