05.09.2017

Claude Ritter von Book A Tiger: “Du darfst nicht über-analysieren!”

Interview. Claude Ritter war 2010 als Co-Founder bei Delivery Hero dabei. 2014 startete er gemeinsam mit Nikita Fahrenholz Book A Tiger. Am 28. September spricht er auf der Darwin's Circle Conference 2017 in Wien.
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(c) Book a Tiger: Claude Ritter
kooperation

Claude Ritter blickt als Serial Entrepreneur bereits auf viele Jahre Erfahrung zurück. So war er 2010 CoFounder von Delivery Hero, jenem Unternehmen, das vor kurzem einen erfolgreichen Börsengang hinter sich brachte. Ritter stieg dort bereits 2014 aus und gründete sein aktuelles Startup Book A Tiger. Dieses startete mit der Vermittlung von Reinigungskräften an Privathaushalte und bewegt sich nun immer stärker im B2B-Bereich.

Ritter wird als Speaker auf der Darwin’s Circle Conference 2017 am 28. September in Wien auftreten. Er befindet sich damit in einer illustren Runde von Vortragenden, der u.v.a. auch Bundeskanzler Christian Kern und Top-Manager von Facebook, Google, Amazon, Youtube, Nvidia, AirBnB, IBM und zahlreicher heimischer Großunternehmen angehören.

Im Gespräch mit dem Brutkasten gibt Ritter einen Einblick in seine persönliche Motivation,  führt aus, wer nicht als Unternehmer geeignet ist und gibt Tipps für First Time Founder. Etwa, dass man es langsam angehen lassen sollte.

+++ Live von der Präsentation der heurigen Digitalisierungskonferenz Darwin’s Circle +++


Du warst Co-Founder von Delivery Hero. Bereust du manchmal, dass du dort aufgehört hast?

Nein, ich habe es nicht bereut, bei Delivery Hero ausgestiegen zu sein. Schlussendlich kann man immer sagen: “Das wäre toll gewesen.” Natürlich ist es cool, zu sehen, was aus der Firma geworden ist, aber ich schaue nach vorne und nicht zurück. Bei Book A Tiger läuft alles nach Plan. Insofern habe ich den Wechsel nie bereut.

Was hat dich 2014 dazu bewegt bei Delivery Hero aufzuhören und mit Book A Tiger etwas ganz Neues zu starten?

Als wir 2010 in Deutschland mit Lieferheld angefangen haben, war das auch nicht meine erste Firma. Ich habe davor schon einige Unternehmen gegründet und schlussendlich war es für mich immer am spannendsten, etwas Neues aufzubauen. Nach vier Jahren bei Delivery Hero waren wir an einem Punkt, an dem die Firma gut lief und das Produkt nur noch in neue Märkte übertragen werden musste. Da war einfach die Challenge weg. Nikita und ich haben uns dazu entschlossen, eine neue Herausforderung anzugehen, also quasi vom Ikea-Tische zusammenbauen bis hin zur Strategie nochmal alles neu zu machen.

Book A Tiger gibt es mittlerweile auch bereits drei Jahre. Bedeutet das, es wird wieder Zeit für eine neue Challenge?

Book A Tiger hatte zu Beginn ein ganz anderes Modell. Anfangs haben wir selbstständige Reinigungskräfte an Privatkunden vermittelt. Inzwischen arbeiten wir vorwiegend mit Geschäftskunden zusammen und haben alle Reinigungskräfte angestellt. In der Form gibt es die Firma erst seit knapp zwei Jahren, alles fühlt sich also noch sehr frisch an. Hier gibt es also noch genug Challenges und wir brauchen vorerst erst einmal keine Neuen.

Denkst du, bei Book A Tiger wird es den Punkt geben, an dem du sagst: “Jetzt läuft das Unternehmen. Ich bin bereit für eine neue Challenge”?

Ja, ich denke schon. Es gibt immer etwas, bei dem man sagt: “Das würde mich reizen”. Wenn wir unsere Ziele mit Book A Tiger erreicht haben, wird es wohl wieder etwas Neues geben, das ich anfangen werde.

“Ich habe eine Liste mit Ideen. Von der Taschen-Produktion über die Eröffnung einer Bar bis hin zu einem Marktplatz für Daten ist alles dabei.”

Wäre das wieder im E-Commerce Bereich, oder glaubst du, dass du auch etwas ganz Anderes anfangen würdest?

Ich hatte bereits Gründungen im Bereich Software as a Service. Meine erste Firma, die ich damals in der Schweiz gegründet habe, war eine Software-Entwicklungs-Firma. Ich bin, was das Modell angeht, ehrlich gesagt relativ aufgeschlossen. Das wichtigste ist, dass es für mich spannend und interessant ist. Ob das dann in den E-Commerce-Bereich fällt, oder nicht, ist völlig offen. Ich habe eine Liste mit Ideen, auf der kreuz und quer verschiedenste Ideen stehen. Von der Taschen-Produktion, über die Eröffnung einer Bar eröffnen bis zu einem Marktplatz für Daten ist wirklich alles dabei.

Also könnte ich vielleicht in ein paar Jahren mal ein Bier in deiner Bar trinken?

(lacht) Ja, das könnte durchaus passieren. Das ist natürlich nicht das skalierbarste Geschäftsmodell, das man sich vorstellen kann, aber dafür ein sehr angenehmes.

“Du darfst die Dinge nicht über-analysieren.”

Du bist Serial Entrepreneur, hast schon mehrere Firmen gegründet. Was macht aus deiner Sicht einen guten Entrepreneur aus?

Da gibt es verschiedene Punkte. Zum einen wäre da natürlich die inhaltliche Kompetenz. Du musst von dem, was Du tust, Ahnung haben. Besonders wichtig ist aber auch Deine Persönlichkeit. Du musst ein Typ Mensch sein, der einfach Dinge startet und keine Angst davor hat, auf Basis von nicht vollständigen Informationen loszulegen. Du darfst die Dinge nicht über-analysieren. Stichwort: Paralyse durch Analyse. Bringst Du diese Eigenschaft mit, bist Du unfähig weiterzumachen, wenn Du Dich nicht vollständig informiert fühlst, und triffst auch nur langsam Entscheidungen. Das ist äußerst schlecht, wenn man gründen will. Du musst Dich wohl fühlen in einem gewissen Level an Chaos. Die Dinge liegen nicht immer in der eigenen Kontrolle. Man ist oft abhängig von diversen Faktoren, auf die man keinen Einfluss hat. Mir wird zum Beispiel super schnell langweilig, wenn das Chaos irgendwann weg ist. Man muss also eine gewisse Affinität für Turbulenzen haben. Natürlich ist es hilfreich, eine gute Ausbildung in dem Bereich, in dem man tätig ist, zu haben. Aber ich glaube, was zählt ist eine starke Persönlichkeit.

Das heißt, du würdest jemandem, den du als sehr vorsichtig wahrnimmst, eher abraten ein Unternehmen zu gründen?

Ja, die meisten Leute, die sehr vorsichtig sind, schaffen es gar nicht ins Unternehmertun einzusteigen. Es gibt viele smarte Leute, die bei einer Bank, Versicherung oder Beratung arbeiten, Anfang bis Mitte 30 sind, ein gutes Gehalt bekommen und sich laufend über ihren Job beschweren. Aber diese Leute würden nie kündigen. Sie haben ein sechsstelliges Jahresgehalt und sind einfach nicht risikoaffin genug um zu sagen „Egal, ich geh‘ jetzt.” Im Unternehmertum gibt es eine Art natürliche Selektion. Die Leute, die nicht als Unternehmer geeignet sind, werden es ganz häufig auch nicht. Aber prinzipiell ist es so: Wenn man ein geregeltes Leben mit viel Stabilität braucht, dann ist man meiner Meinung nach nicht für das Unternehmertum geeignet.

In den vergangen Jahren gab es eine Art Startup-Hype. Speziell viele junge Leute entschließen sich Unternehmer zu werden. Glaubst du es gibt heute eine gesellschaftliche Tendenz zu mehr Risiko oder hat das andere Gründe?

Ja, das glaube ich schon. Aber ich denke, es gibt verschiedene Faktoren. Einerseits hast Du durch das Internet Informationen, die sich wesentlich schneller verbreiten. Die Erfolgsgeschichten sind wesentlich transparenter. Wenn man früher in Deutschland gelebt hat und in den USA jemand mit einem neuen Geschäftsmodell erfolgreich geworden ist, dann hat man das gar nicht wirklich mitbekommen – es sei denn, man war in derselben Branche tätig. Heute gibt es viele Publikationen, wie euch zum Beispiel, die das Unternehmertum portraitieren. Hier sieht man überall, dass andere Leute ihr Ding machen und damit erfolgreich sind. Ich glaube, dass das ein großer Treiber ist. Ein weiterer Faktor ist, dass vor allem viele junge Leute nicht mehr gewillt sind, einen Durchschnittsjob anzufangen und dann bis an ihr Lebensende im gleiche Unternehmen zu arbeiten. Heute heißt es eher: „Okay, ich probiere mal etwas aus. Wenn es gut läuft, gut. Und wenn nicht, dann habe ich immer noch meine Ausbildung und kann mir eine Anstellung suchen.” Insofern glaube ich, dass sich mit dem Generationswechsel auch die Mentalität geändert hat.

Gibt es aus deiner Sicht auch eine negative Seite? Etwa dass es heute weniger solide Angestelltenposten gibt und daher ein größerer Druck zur Selbstständigkeit besteht?

Aus meiner Sicht würden Leute, die als Gründer geeignet sind auch einen Angestellten-Job bekommen.

“Das wichtigste für mich ist, nicht gleich zu Beginn mit Geld um sich zu werfen, sondern erst einmal am Produkt zu arbeiten.”

Viele unserer Leser sind First Time Founder. Sie haben ihr Unternehmen gerade gestartet oder befinden sich in den ersten Jahren. Was ist dein Tipp für sie?

Ich glaube, es gibt ein paar Punkte, auf die man achten sollte. Erstens, man sollte langsam anfangen und nicht zu früh zu viel Geld ausgeben. Es gibt viele Gründe, die einen dazu bringen, Dinge schnell zu machen und dabei viel Geld in die Hand zu nehmen. Aber das wichtigste für mich ist, nicht gleich zu Beginn mit Geld um sich zu werfen, sondern erst einmal am Produkt zu arbeiten, und herauszufinden, was man eigentlich machen will. Ebenfalls wichtig ist, dass man über das Know-How, das man für sein Produkt oder seinen Service braucht, verfügt. Nichts ist schlimmer, als keine Ahnung vom Thema zu haben. Es ist ganz wichtig, dass man im Kernteam alle notwendigen Kompetenzen vereint. Zu guter Letzt sollte man im Team von Anfang an klare Verhältnisse schaffen. Jeder muss wissen, wie viel er von der Firma hat und was seine Pflichten und Verantwortlichkeiten sind. Denn im Guten, wie im Schlechten kommt es häufig zu Streit, wenn Dinge nicht geregelt sind. Es ist schade, wenn ein Unternehmen gut läuft, sich dann aber die Gründer zerstreiten, weil die Dinge nicht von Anfang an geklärt worden sind.

Ich habe die vorige Frage schon sehr oft gestellt, aber das langsam los starten ist dabei noch nie als erster Punkt gekommen. Es ist sehr selten überhaupt genannt worden.

Ich bin da ein gebranntes Kind. Den Fehler zu früh loszustarten habe ich selbst schon ein oder zweimal gemacht. Es gibt viele Firmen, die schon 250.000 Euro verbrannt haben und noch immer nicht wissen, was ihr Produkt ist. Da fragt man sich dann: „Wofür hast du eigentlich zwei Entwickler eingestellt? Was machen die den ganzen Tag?” Meine Meinung ist, solche Firmen sollten aufhören und es noch einmal von Neuem probieren. Das bringt dann nichts mehr. Und genau deswegen ist das langsam Anfangen so wichtig.

+++ 4 Tipps, die helfen beim Gründen vom Denken ins Tun zu kommen +++


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Im Wiener Museumsquartier lud das AIT zu den Technology Talks. Hier im aws-Workshop mit (v.l.n.r.) Moderator Dejan Jovicevic, Georg Kopetz, Birgit Hochenegger-Stoirer, Markus Wanko, Anna Pölzl, Manon Sarah Littek und Bernhard Sagmeister (c) Tanja Spennlingwimmer, aws

Alle Jahre wieder versammeln sich heimische und internationale Köpfe der Tech- und Wirtschaftsbranche zu den Technology Talks des Austrian Institute of Technology (AIT). Heuer allerdings mit einem besonderen Pivot: Die Technologiegespräche luden in das Wiener Museumsquartier.

Das Highlight der diesjährigen Gespräche: Die Panels und Workshop-Sessions mit heimischen und internationalen Innovationspionieren. Thematisch bewegte man sich nicht nur im makroökonomischen Innovationsfeld auf internationaler Ebene, sondern richtete auch einen gezielten Blick auf treibende Kräfte des heimischen Ökosystems.

So lud die Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws) im Rahmen einer zweiteiligen Workshop-Session Key Player der heimischen und internationalen Startup-, Spinoff- und VC-Szene zur Diskussion auf die Bühne. Unter dem Titel “Startups und Spinoffs: Von der Gründer:innen-Idee zur VC-Finanzierung” wurde in zwei 90-minütigen Sessions über folgende Fragestellung diskutiert:

Warum bleibt Österreich im internationalen Gründungswettlauf zurück? Was braucht es, um ein starkes Ökosystem für akademische Spinoffs zu schaffen und Anforderungen von Risikokapitalgeber:innen gerecht zu werden? Und: Wie kann der Wirtschaftsstandort Europa im internationalen Wettbewerb mithalten? Die nahezu einstimmige Antwort: Länder- und branchenübergreifender Zusammenarbeit sowie mehr Mut zum Risiko.

Die Workshop Session 2 mit (v.l.n.r.) Moderator Dejan Jovicevic, Patrik Cesky, Christian Hoffmann, Dorothea Pittrich, Alexander Svejkovsky, Doris Agneter, Birgit Mitter und Johannes Bintinger (c) Tanja Spennlingwimmer, aws

Zur Workshop-Session geladen wurden Bernhard Sagmeister, Geschäftsführer der Austria Wirtschaftsservice GmbH, sowie Patrik Cesky, Geschäftsführer des aws Gründungsfonds. Außerdem zu Gast waren Doris Agneter, Geschäftsführerin von tecnet equity, Helmut Schönenberger, CEO der UnternehmerTUM GmbH der TU München, Birgit Hochenegger-Stoirer, Vizerektorin der Medizinischen Universität Innsbruck, Manon Sarah Littek des Green Generation Fund, Georg Kopetz, Geschäftsführer von TTTech, Christian Hoffmann der TU Wien sowie Alexander Svejkovsky, Managing Director des AIT.

Die Startup- und Spinoff-Szene wurde unter anderem von Anna Pölzl, Co-Founderin und CEO von nista.io, Markus Wanko von xISTA, Dorothea Pittrich von CellEctric, Birgit Mitter, Co-Founderin von Ensemo und Johannes Bintinger, CEO von n-Ink, vertreten.

“Wenn wir stehen bleiben, haben wir schon verloren”

“Lauft einfach los und macht. Wir müssen ständig rennen. Wenn wir stehen bleiben, haben wir schon verloren.” Klare Worte von Helmut Schönenberger, CEO der UnternehmerTUM GmbH der TU München, des Zentrums für Entrepreneurship in der Academia. Zum Start der Workshop-Reihe appelliert der CEO an mehr Tatendrang in der Universitätslandschaft: Ausgründungen und die Möglichkeit auf Entrepreneurship während oder nach der Ausbildung sollten in universitären Curricula noch breiteren Einklang finden. Erkenntnisse aus akademischer Forschung bringen großes Potenzial für Wirtschaft und Industrie.

Dennoch sieht Schönenberger eine Hürde im komplikationsfreien Zusammenspiel zwischen Academia und Entrepreneurship: Zugänge zu Risikokapital brauchen mehr Niederschwelligkeit und deutlich mehr Risikobereitschaft. Nicht zuletzt in ähnlicher Weise, wie sie in der US-amerikanischen VC-Landschaft präsent ist. Belegen lässt sich eine Disbalance investierter VC-Summen auch statistisch: Schönenberger zufolge käme das “meiste Geld aus den USA”.

Startups und Spinoffs noch besser “pushen”

Die zentrale Herausforderung: Startups und Spinoffs im Ökosystem noch besser zu pushen. Hier setzt als einer der wichtigsten heimischen Key Player die Austria Wirtschaftsservice (aws) an. Mit ihren Pre-Seed- und Seed-Förderprogrammen unterstützt sie Ausgründungen mehrdimensional. Strategisch und finanziell wird Unterstützung in der Frühphase geboten.

So half man unter anderem dem Tullner Startup und AIT Spinoff Ensemo rund um Birgit Mitter. Die Founderin sprach auch im Rahmen des Workshops über die Unterstützung durch die aws-Pre-Seed-Förderung und des niederösterreichischen Inkubators accent.

Inwiefern sich die Situation allerdings vonseiten der Founder:innen – teils frisch aus Universitäten und unbewusst dessen, welche Möglichkeiten im Startup- und Spinoff-Feld warten – gestaltet, wurde weiter im Rahmen der Workshop-Session diskutiert.

“Das Gründen war wenig auf meinem Radar”

Eine wichtige Stimme war dabei die nista.io-Founderin Anna Pölzl: Die TU-Absolventin hat ein Spinoff gegründet, ohne “im Studium je das Wort Startup gehört zu haben”. “Ich bin vor fünf Jahren auf der TU fertig geworden und habe meinen Co-Founder aus Zufall kennengelernt. Davor hab ich im Studium im Grunde nichts von Startups mitbekommen. Das Gründen war dementsprechend wenig auf meinem Radar”, erinnert sich die Founderin.

Schließlich kam es doch zur Gründung ihres EnergyTech-Startups. Allerdings sprang sie dabei “naiv ins kalte Wasser” – mangels Vorwissen. In ähnlicher Situation befand sich auch Birgit Mitter mit ihrem AIT-Spinoff Ensemo. Auch hierbei halfen Inkubatoren und die Pre-Seed-Förderung durch die aws dabei, sich vom “klassischen Wissenschaftsdenken und der akademischen Detailverliebtheit” zu lösen und unternehmerische Skills aufzubauen.

Eine nicht unwesentliche Rolle schreibt Mitter auch der Unterstützung des Startup Centers des AIT Austrian Institute of Technology zu: “Abgesehen von der tollen Unterstützung vonseiten des AITs sowie heimischer Inkubatoren was Betriebswirtschaft, Führung und unseren Proof of Concept anbelangt, haben wir vor allem eines gelernt: Gewisse Dinge brauchen Zeit. Und das Wichtigste ist, dass unser Produkt funktioniert. Wie und warum, das ist den Kunden egal. Hauptsache, es funktioniert.”

Mittlerweile hat sich auch Anna Pölzl zu einer der wichtigsten Startup-Founder:innen unseres Landes entwickelt. Mit einigen Jahren Erfahrung im Gepäck spricht die CEO die “verängstigte VC-Mentalität” in Österreich an: “Hierzulande sind wir schon sehr vorsichtig und von Angst getrieben – was in der VC-Szene ja durchaus ein Vorteil sein kann. Allerdings merken wir – gerade in puncto Fehlerkultur und Optimismus – viel mehr Potenzial, wenn wir über die Grenzen hinaus schauen.”

“Denkt ihr überhaupt groß genug?”

Aus Erfahrung verrät Pölzl einen “Geheimtrick” heimischer Startup-Founder:innen für Pitches vor ausländischen Investor:innen: “Unter österreichischen Gründer:innen ist das so ein Ding, dass man zwei Pitch Decks vorbereitet: Einmal für heimische und einmal für internationale Pitches. Hierzulande haben wir nämlich die Erfahrung gemacht: Wenn man zu hohe Summen fordert, wird man schief angeschaut. International wird man für dieselbe Summe allerdings auch schief angeschaut – weil die geforderte Summe zu niedrig ist. Dann hört man meistens: ‘Denkt ihr überhaupt groß genug?’”

Was Pölzl anspricht, könnte dem heimischen Ökosystem langfristig zum Verhängnis werden: Startups wandern ab, wenn sie anstreben, zu wachsen. Das liegt schlichtweg daran, dass es hierzulande an Wachstums- und Expansionskapital für Scaleups mangelt. Die Risiko- und Investitionsbereitschaft sei Übersee höher – sprich: In den USA und China, mit Großbritannien als Sprungbrett.

Das Problem, das im Zuge der Workshops aufgegriffen wird, ist kein neues. Dennoch muss darüber gesprochen und aktiv Maßnahmen gesetzt werden, um das Abwandern heimischer Scaleups zu verhindern, Innovation in Europa zu beheimaten und fortan auch Fachkräfte anzuziehen, um dem Wirtschaftskontinent Europa jenen Status zu verleihen, den er verdient hat. Nämlich: Eine Vorreiterrolle.

Viele Vorreiter befänden sich aktuell allerdings vermehrt in China und den USA. Unter anderem aufgrund höherer Risikobereitschaft, unter anderem aber auch aufgrund flexiblerer Regulierungen.

Mehr Verständnis in der Gesellschaft

Auch dazu brauche es hierzulande deutlich mehr Innovationsaffinität – vor allem in puncto Bio- und HealthTec. Und ein breites Verständnis für branchen- und sektorübergreifende Datenanalysen wie jener von anonymisierten Gesundheitsdaten. Dazu ergänzt Bernhard Sagmeister, Geschäftsführer der aws: „Wir alle sollten durch konsequente Kommunikation überzeugender Beispiele in der Breite der Gesellschaft mehr Verständnis für Innovation als den Treiber bzw. die Garantie unseres Wohlstandes erzeugen.”

Ähnlicher Ansicht ist Birgit Hochenegger-Stoirer, Vizerektorin für Finanzen und Digitalisierung an der Medizinischen Universität Innsbruck:

“Wir sind uns bewusst, dass der Umgang mit Gesundheitsdaten ein kritisches Thema ist. Auf der anderen Seite muss dieses Thema großflächig kommuniziert und Verständnis dafür geschaffen werden. Gesundheitsdaten werden anonymisiert und verantwortungsvoll gehandhabt – und können die Zukunft unseres Innovationssystems deutlich mitgestalten. Anonymisierte Daten müssen nach einer klar definierten Governance an die Industrie weitergegeben werden, um Austausch, Forschungsfortschritt und Innovation zu schaffen. Die universitäre Grundlagenforschung muss sich in Richtung klinische Forschung entwickeln. Und dafür ist ein Rechtsrahmen notwendig, den es aktuell noch nicht gibt.”

“Wir müssen das Rad nicht neu erfinden”

Unis und Institute können den Schritt allerdings nicht alleine schaffen, sondern: Es braucht Hilfe vonseiten Politik und heimischer Wirtschaftstreiber. “Gerade Europa hat ein regulatorisches Mindset. Startups, Industrie und Universitäten müssen stärker zusammenarbeiten, denn BioTech wird immer wichtiger und endet nicht vor dem Krankenbett.”

Ein wesentlicher Appell der Vizerektorin: “Ich würde davor warnen, dass wir jetzt alle glauben, wir müssen das Rad neu erfinden. Wir dürfen keine Aliens produzieren, die für die Industrie unverwertbar sind. Lasst uns über den österreichischen Tellerrand hinausdenken. Die großen Player und Geldgeber sitzen außerhalb von Österreich. Wir müssen uns zusammenschließen und kollaborative Modelle entwickeln, damit wir für ausgewählte Branchen gute Lösungen haben.”

Im Lichte der Spinoff- und Forschungsthematik kam auch das Thema Intellectual Property (IP) zur Sprache. Die Vizerektorin appelliert an “gute Development-Möglichkeiten” und eine “aktive Transaktionskultur”, um geistiges Eigentum im Universitäts- und Industriekontext verwerten zu können. “Dabei dürfen wir nicht nur innerhalb der Uni- oder Förderlandschaft denken”, so Hochenegger.

“Sobald Skalierung ein Thema ist, gehen Startups hierzulande etwas unter. Unis müssen sich dafür professioneller aufstellen. Und zwar in Gremien, die nicht nur aus der Academia, sondern auch aus der Wirtschaft kommen. Dazu braucht es: Commitment, klare Transparenz und Nachhaltigkeit. Wenn wir in der Zusammenarbeit erfolgreich sein wollen, müssen wir durchhalten und nicht nach einem Jahr ungeduldig werden.”

Hier zeigt sich die aws Spinoff-Initiative als ein nationaler Wegweiser, der bereits einen erheblichen Mehrwert in puncto Awareness- und Transparenz-Steigerung von universitären Ausgründungen geschaffen hat. Die aws Spinoff Initiative Modul 1 für Hochschulen wurde im Rahmen der Workshops von den beiden anwesenden Hochschulvertreter:innen, namentlich Birgit Hochenegger-Stoirer der Med Uni Innsbruck und Christian Hoffmann der TU Wien, als sehr positiv hervorgehoben. So hieß es: “Hochgradige Forschung wird dank frühzeitiger Finanzierung durch die aws gut begleitet. Wir brauchen weitere Erfolgsmodelle wie diese, die zeigen, dass Ausgründungen unkompliziert, wirtschaftsfreundlich und innovationsgetrieben auch hierzulande funktionieren.”

“Das Ziel ist nicht nur Geld, sondern das Schaffen einer gemeinsamen Technologie”

Ganz so schlecht steht es um die heimische VC-Szene dann doch nicht – darüber spricht Anna Pölzl aus Erfahrung: “Es findet ein Umdenken statt: Risikokapital und Möglichkeiten des Corporate Venture Capitals werden vor allem in Hinblick auf strategische Partnerschaften immer wichtiger. Das Hauptziel ist nicht nur Geld, sondern das Schaffen einer gemeinsamen, zukunftsweisenden Technologie.”

Was Pölzl anspricht, lässt sich auch als allgemeiner Tenor der aws-Workshop-Sessions im Rahmen der diesjährigen Technology Talks wiedergeben: Es braucht mehr Kollaboration. Auch Bernhard Sagmeister, Geschäftsführer der Austria Wirtscaftsservice GmbH, stellt sich hinter dieses Credo.

Für fundierte, branchenübergreifende Zusammenarbeit sei Österreich allerdings zu klein. Sagmeister appelliert an länderübergreifende Zusammenarbeit auf Europaebene – auch in puncto Risikokapital. Wenn es zu einem allgemeinen Dachfonds kommen sollte, macht Sagmeister deutlich: „Für den Erfolg eines Dachfonds ist ein professionelles Management Voraussetzung.“

Sie ist nicht zu überlesen: Die Message, die heimische Wirtschafts- und Forschungstreibende an unser Ökosystem senden. Länder- und Sektorübergreifende Kollaboration ist gefragt. Fragmentierung sei zwar ein Zeichen von “Fokus und Spezialisierung”, so Doris Agneter, Geschäftsführerin von tecnet equity, sei aber auch ein Hindernis für überregionale Synergienutzung und Kollaboration.

“Wir wollen Anker in der Seed- bis Series-A-Phase sein”

Wie die aws mit Herausforderungen dieser Art umgeht, erklärt Patrik Cesky, Geschäftsführer des aws Gründungsfonds, abschließend in folgenden Worten: „Wir wollen Anker-Investor in der Seed- bis Series-A-Phase sein und internationale Investoren dazu bewegen gemeinsam mit uns in österreichische Innovation zu investieren. Es gibt in Österreich insgesamt nicht sehr viele Frühphaseninvestments im Jahr. Deswegen fokussieren wird nicht nur auf bestimmte Industrien, sondern brauchen etwas Pragmatismus bei der Auswahl der Investments. So leisten wir im Rahmen unserer Möglichkeiten, den bestmöglichen Beitrag, um Startups in Frühphasen zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Alles, was darüber hinausgeht, braucht einen funktionierenden Kapitalmarkt mit privaten Fonds zur Anschluss- und Wachstumsfinanzierung.”

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