24.05.2017

In der Digitalisierung gilt: Mut zum Ausprobieren

Innovationsprozesse verlaufen in der digitalen Welt viel schneller als bisher. Das kann Geschäftsmodelle von herkömmlichen Unternehmen gefährden. Wie man im Wettlauf die Nase vorne behält verrät Stefan Groß-Selbeck, Chef von BCG Digital Ventures.
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Die digitale Revolution sorgt bei vielen Unternehmen für Verunsicherung. Denn immer öfter bedrohen innovative Wettbewerber das herkömmliche Geschäftsmodell. Im Bereich Consumer Internet hat Europa laut Stefan Groß-Selbeck, Chef von Digital Ventures der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG), den Zug schon verpasst. Die großen globalen Plattformen kommen zu drei Viertel aus den USA und rund ein Viertel aus China.

“Innovation findet vor allem in Netzwerken statt, in Ökosystemen.”

Weniger Risiko in Europa

„Die Herausforderung ist es, dass uns das beim industriellen Internet nicht auch noch passiert.“ Der ehemalige Deutschland-Chef von eBay und spätere Vorstandsvorsitzende von Xing kennt die Probleme gut. Der Aufholprozess sei schwierig, weil das Silicon Valley 60 Jahre Vorsprung habe. Es gebe mittlerweile gute Erkenntnisse darüber, wie Innovation passiert und was es dafür braucht. „Innovation findet vor allem in Netzwerken statt, in Ökosystemen. Dafür braucht es Universitäten, etablierte Technologieunternehmen, Investoren und natürlich junge, hungrige Leute“, so Groß-Selbeck. Es sei auch eine Frage der Risikobereitschaft: In Europa sei man weniger bereit, Risiken einzugehen, als in den USA, insbesondere junge Leute. Und nicht zuletzt fehle es in Europa auch an ausreichendem Risikokapital.

Redaktionstipps

Optimierung

(c) Elke Mayr

Für die Unternehmen selbst ist jedoch das Problem, dass sie es im digitalen Umfeld mit einer neuartigen Form von Innovation zu tun haben. Denn es war noch nie so einfach und so billig, ein digitales Service oder einen Dienst einfach auszuprobieren. „Ich bringe einmal ein Produkt in den Markt, das noch gar nicht perfekt ist, um es auszuprobieren und Feedback zu sammeln. Auf dieser Basis optimiere ich es dann. Diese
Art, Innovation zu machen, unterscheidet sich grundlegend von der Art, wie es industrielle Unternehmen gewohnt sind, zu machen: nämlich lange Zyklen versus kurze Zyklen“, argumentiert Groß-Selbeck. In vielen Fällen steigen diese digitalen Angreifer gar nicht in die Hardware ein, sondern schieben sich zwischen Hardware und Nutzer. „Ein gutes Beispiel dafür ist das Thema Connected Home und der Anbieter Google Nest als Plattform, der dem Verbraucher ermöglicht, alles im Haus über diese Plattform zu steuern“, nennt Groß-Selbeck ein Beispiel. Der herkömmliche Anbieter, beispielsweise von Wärme, werde damit zur Commodity und austauschbar.

Vertikale Innovation

Aber wie können Unternehmen nun selbst den Innovationsprozess und die Digitalisierung vorantreiben? „Das Wichtigste ist, dass sich ein CEO oder Firmenchef überlegt, wie stark die Digitalisierung das Unternehmen betrifft, wie hoch das Risiko ist. Daraus ergibt sich, wie aggressiv an das Thema herangegangen werden muss“, rät Groß-Selbeck. Grundsätzlich müsse ein Unternehmen immer seine Prozesse optimieren und in der Wertschöpfungskette die digitalen Technologien nutzen. „Darüber hinaus muss ich mir die Frage stellen, inwieweit ich gezwungen bin, durch disruptive Innovationen – wir nennen das vertikale Innovation – etwas Neues zu machen, weil es sonst jemand anderer tun wird.“ Um vertikale Innovation zu ermöglichen, mit oder ohne externe Hilfe, müsse man das Umfeld dafür schaffen. Es ist nicht überraschend, dass in letzter Zeit viele Innovationslabs auch bei Konzernen entstanden sind. Denn für Innovation müsse man Raum schaffen, eine getrennte organisatorische Struktur mit einer Mischung von internen und externen Mitarbeitern, betont der BCG-Partner. Die BCG-Tochter mache genau das. Sie fokussiere sich auf innovative, digitale Geschäftsmodelle, entwickle diese und setze sie um. „Wir bauen für die Unternehmen Startups.“

Wie sehen das die Kunden

Typischerweise werde ein Portfolio an „Investable Ideas“ entwickelt, also an Konzepten, in die man investieren könne. Der nächste Schritt sei
es, möglichst schnell einen Prototypen zu bauen, zu testen und schließlich umzusetzen. „Die wesentlichste Komponente in so einem Prozess ist, sich die Kundenperspektive anzusehen. Dann schauen wir uns um, ob es schon Startups in dem Bereich gibt, und entweder investieren wir dann in ein schon bestehendes Startup oder bringen die richtigen Leute zusammen für einen Kreativprozess“, sagt Groß-Selbeck. Nicht selten wüssten die Unternehmen sehr genau, in welchem Bereich sie innovativ sein wollen, hätten aber Schwierigkeiten, aus eigener Kraft eine Innovation auf den Boden zu bringen. Das gehe sogar manchmal so weit, dass Unternehmen ein genaues Konzept vor Augen hätten. Wesentlich sei jedenfalls, nicht abzuwarten, sondern aktiv zu werden, um sich so einen Vorsprung zu verschaffen. Mut zum Ausprobieren ist wohl das beste Rezept, um im digitalen Wandel am Ball zu bleiben.

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Expedition Zukunft: Wie die FFG bahnbrechende Innovationen unterstützt

Die FFG hat mit „Expedition Zukunft“ ein Förderprogramm gestartet, das bahnbrechende Innovationen in Österreich vorantreiben soll. Gesucht werden mutige Ideen, die Märkte, Technologien oder die Gesellschaft grundlegend verändern. Programmleiterin Annamaria Andres hat uns mehr zu den Möglichkeiten erzählt, die Expedition Zukunft für Fördernehmer:innen bietet.
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Das "Expedition Zukunft"-Team, Annamaria Andres (erste links) | (c) FFG

In Zeiten großer gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Herausforderungen braucht es mutige Ideen, die nicht nur schrittweise verbessern, sondern bestehende Systeme grundlegend neu denken. Genau hier setzt das Förderprogramm „Expedition Zukunft“ der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) an. Annamaria Andres, die das Programm maßgeblich mitentwickelt hat, betont: “Die EU und auch Österreich sind sehr gut in inkrementellen Innovationen und Grundlagenforschung, doch es braucht auch disruptive Ansätze, um die Welt zu einem besseren, gerechteren und nachhaltigeren Ort zu verändern.”

Mehr als inkrementelle Verbesserungen

Das Ziel von “Expedition Zukunft” ist es, Projekte zu unterstützen, die einen echten Paradigmenwechsel bewirken können. Während traditionelle Innovationsprogramme oft auf Verbesserungen bestehender Technologien und Prozesse abzielen, sucht „Expedition Zukunft“ nach bahnbrechenden Ideen. Es geht darum, mit komplett neuen Ansätzen die jetzigen Herausforderungen anzugehen. Diese Herausforderungen könnten technologischer, gesellschaftlicher oder ökologischer Natur sein.

+++ Jetzt bewerben und von Expedition Zukunft profitieren +++

Zwei Wege in die Zukunft: #START – Business Edition und #INNOVATION

Das Programm gliedert sich in mehrere Ausschreibungsschienen. Hier ein Überblick zu zwei Förderschienen, die sich besonders für Gründer:innen von Startups und KMU eignen:

  • #START – Business Edition: Hier können Gründer:innen und KMU einreichen, die ganz am Anfang stehen. Sie haben eine visionäre Idee, aber noch kein ausgearbeitetes Konzept. Es geht darum, die Durchführbarkeit zu testen – nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch in Bezug auf soziale Aspekte, strategische und rechtliche Rahmenbedingungen. Für diesen Schritt stellt die FFG bis zu 80.000 Euro zur Verfügung.
  • #INNOVATION: In dieser Schiene wurde ein Problem bereits klar definiert, die Lösung ist jedoch noch offen. Mit einer Förderung von bis zu 150.000 Euro bei einer Förderquote von 50 Prozent unterstützt das Programm die Lösungsfindung in Zusammenarbeit mit relevanten Stakeholdern. Hier geht es um iterative Innovationsprozesse, wie zum Beispiel Open Innovation und Design Thinking, um eine optimale Lösung für eine Zielgruppe oder ein disruptives Geschäftsmodell zu entwickeln.

Weitere Ausschreibungsschienen findet ihr auf der Programm-Website.

Mut zum Risiko und zur Veränderung

Disruptive Innovationen sind riskanter als schrittweise Verbesserungen. Sie bewegen sich oft in unklaren rechtlichen Rahmenbedingungen, müssen neue Märkte erschließen und kulturelle Veränderungen anstoßen. Diese bahnbrechenden Ideen haben ein höheres Umsetzungsrisiko. Deshalb bietet das Programm neben finanzieller Unterstützung auch umfassende Beratungsservices und Expeditionsguides.

Die Expeditionsguides sind Expert:innen, die die geförderten Projekte begleiten. Neben der individuellen Begleitung bietet das Programm auch Netzwerktreffen, bei denen sich die Fördernehmer:innen untereinander austauschen können.

Von der Vision zur Umsetzung

Ein zentrales Kriterium für die Förderung ist der Mut zur großen Vision. Dahingehend werden Fördernehmer:innen gesucht, die größer denken und bereit sind, neue Wege zu gehen. Diese Vision muss auch einen gesellschaftlichen oder ökologischen Mehrwert bieten. Es geht nicht nur um Profit, sondern um Impact – sei es in der Umwelt, der Gesellschaft oder der Wirtschaft.

Ein Beispiel für solche visionären Projekte sind Innovationen in der Raumfahrt, der Krebsbekämpfung, sozialen Inklusion oder Pflegekonzepte für eine alternde Gesellschaft.

Solche Ideen stoßen jedoch oft auf große gesellschaftliche Herausforderungen. So stellt beispielsweise die Bereitschaft der Menschen, eingefahrene Verhaltensmuster zu ändern, eine Hürde dar. Genau hier setzt das Programm an, um den notwendigen Wandel zu unterstützen und den Weg für zukunftsweisende Innovationen zu ebnen.

Unterstützung, die über Geld hinausgeht

Neben der finanziellen Förderung bietet „Expedition Zukunft“ auch umfangreiche Beratungsleistungen. Dazu gehören Workshops zu Geschäftsmodellen, Strategieberatung oder Hilfe bei IP-Fragen. So soll sichergestellt werden, dass die Projekte nicht nur technisch funktionieren, sondern auch erfolgreich umgesetzt werden können.

Das Programm „Expedition Zukunft“ vernetzt die Teilnehmenden gezielt mit relevanten Partner:innen aus Wirtschaft, Forschung und öffentlichem Sektor. Ein starkes Netzwerk aus Wirtschaftsagenturen, Ministerien und internationalen Partnern unterstützt dabei, die richtigen Kontakte zur richtigen Zeit zu knüpfen – oft der Schlüssel zum Erfolg eines Projekts.

Bewerbungsfrist und Kriterien

Die Einreichfrist für die #START Business Edition endet am 28. Januar um 12:00 Uhr. Die Schiene #INNOVATION ist als laufende Ausschreibung angelegt. Bewerber:innen müssen neben einer bahnbrechenden Idee auch den Willen mitbringen, Risiken einzugehen und groß zu denken. Diversität, gesellschaftlicher Impact und die Bereitschaft zur Veränderung sind entscheidend.

Abschließend merkt Andres an: “Wir suchen Visionär:innen, die bereit sind, die Welt zu verändern. Die Expedition Zukunft ist für diejenigen, die über den Tellerrand hinaus denken, die mutig sind und größer denken. Wer bereit ist, sich dieser Herausforderung zu stellen, findet in dieser Initiative der FFG nicht nur einen Förderer, sondern einen Partner auf dem Weg in die Zukunft.”

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