27.06.2017

Abgeschickt und nie angekommen? Sendungsverfolgung des Startup-Pakets der Bundesregierung

Das Startup-Paket der Bundesregierung wurde vor knapp einem Jahr vorgestellt. Nach dem Koalitions-Aus sind einige Maßnahmen nun aber ins Wanken geraten.
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(c) Africa Studio - fotolia.com

Es ist noch nicht ganz ein Jahr her, dass die Bundesregierung ihr Startup-Paket vorstellte und dafür große mediale Aufmerksamkeit erntete. Damals sahen einige Dinge aber noch ganz anders aus: Christian Kern hat als neuer Bundeskanzler in kürzester Zeit Startups zur Chefsache und Top-Priorität gemacht. Man hoffte noch auf ein Funktionieren der Koalition, Reinhold Mitterlehner war ÖVP-Chef und Wirschaftsminister, Harald Mahrer noch Staatssekretär.

Wie 2016 vorgestellt, sollte das Startup-Paket drei Jahre und 185 Millionen Euro umfassen und zum Turbo-Boost für die heimische Startup-Szene werden. Es sah vielversprechend aus. Nun könnte aber plötzlich alles ganz anders kommen.

Alles anders dank Neuwahlen?

Wie „Heute“ berichtete, könnte es durch die geplanten Neuwahlen im Oktober zu einer massiven Verkürzung des Pakets kommen. So soll die geplante Dotierung von 185 Millionen Euro nur durch einen Budgetbeschluss für 2018/19 möglich sein, der angesichts der Neuwahl aber fraglich ist. Die Zahlungen für 2017 würden aber laufen, heißt es weiter, diese betragen immerhin fast 30 Millionen Euro.

Wie aber sieht es mit den angekündigten Leistungen im Einzelnen aus?

Die Lohnnebenkostenförderung und die Erhöhung der Förderungen für Startups würden laufen, heißt es von SPÖ-Startup-Sprecherin Elisabeth Hakel. Allerdings müsste tatsächlich auch für 2018/19 erst ein Budget beschlossen werden, das sämtliche Förderungen miteinschließt. Auch Wirtschaftsminister Mahrer von der ÖVP meint: „Die bereits beschlossenen Maßnahmen sind aktuell in Umsetzung. Ich gehe davon aus, dass die Entscheidung über Neuwahlen keinen Einfluss auf die bereits in Implementierung befindlichen Unterstützungen hat. Und nach der Wahl wollen wir weitere Maßnahmen umsetzen“.

Dem Brutkasten liegen jedoch Informationen über Mängel – auch bei der bisherigen Umsetzung – vor. Die standardmäßigen, also nicht im Startup-Paket inkludierten Tech-Förderungen für Startups (PreSeed und Seed) wurden 2016 nicht unbeträchtlich gekürzt, die ProTRANS Förderung wurde per 1.12.2016 sogar gänzlich eingestellt. Noch problematischer scheint aber der Umstand zu sein, dass bereits zugesagte und zur Auszahlung genehmigte Tech-Förderungen seit über sechs Monaten nicht ausbezahlt werden – berichten Startups und Insider. Die Startups warten somit aufs Cash; bekanntlich keine unerhebliche, weil existenzrelevante Größe. Die Begündung lautet erstaunlicher Weise: kein Budget vorhanden.

Die Frage nach der Risikokapitalprämie

Die geplanten Erleichterungen bei der Patentvergabe hätte man implementiert, teilt das Patentamt mit. So seien Patentchecks für Startups und die sogenannten „Provisional Applications“, bei denen Startups ihre Idee frühzeitig beim Patentamt einreichen können, durchgesetzt worden.

Anders sieht es bei der Risikokapitalprämie – also der Förderung von Beteiligungen an innovativen Startups – aus. Laut Insidern sollen über 200 Anträge für Risikokapitalprämien beim AWS brachliegen. Schon im Juni 2016 war angekündigt worden, Investoren würden 20 Prozent der Investitionssumme, gedeckelt mit 50.000 Euro, als Risikoprämie zurück bekommen – eine Maßnahme, die bis dato nicht umgesetzt wurde und den Markt somit geraume Zeit auf Eis legte.

Redaktionstipps

Warum aber dauert das alles so lange? Wie der Brutkasten erfahren hat, soll das AWS den Antrag zur Notifizierung der entsprechenden Richtlinie erst deutlich zu spät bei der EU vorgelegt haben. Staatliche Beihilfen sind laut EU-Recht grundsätzlich untersagt. Drei Ausnahmen gibt es aber: die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO), die mehrere zulässige Förderungen regelt und vorsieht, die De-minimis-Verordnung als allgemeine “Bagatell-Ausnahme” und die Einzelnotifikation einer konkreten Richtlinie, wie zB der Risikokapitalprämie.

Alle Förderungen, die nicht durch die AGVO befreit sind, müssen laut einer Branchenexpertin zunächst bei der EU gemeldet werden (sog. Einzelnotifikation), um keine Wettbewerbsvorteile zu generieren und nicht beihilferechtlich verpönt zu sein. Ohne einer Genehmigung gilt die sogenannte „De-minimis-Verordnung“. Ihr zufolge dürfen Startups mit maximal 200.000 Euro, auf drei Jahre verteilt, gefördert werden. „’De-minimis’-Beihilfen sind vom allgemeinen Beihilfenverbot der Europäischen Union ausgenommen, weil sie aufgrund ihrer Höhe keine wettbewerbsverzerrende Wirkung haben” – heißt von Seiten der WKO. Bei der Berechnung werden aber jegliche Erleichterungen, also auch eine etwaige Risikokapitalprämie, die an den Investor ausgezahlt wurde, addiert. Darüberhinausgehende Förderungen wären dementsprechend unzulässig. Die Startpus könnten somit um weitere Förderungen umfallen, wenn die Investoren die Risikoprämie geltend machen.

Verzögerung

Die Österreichische Risikokapitalprämie orientiert sich stark am deutschen INVEST – Zuschuss für Wagniskapital. Dieser wird ebenso in Form eines Zuschusses auf die getätigte Investition gewährt und fällt in dieser Form nicht unter die AGVO. Somit musste das INVEST-Programm bei der EU Kommission notifiziert werden, um nicht unter die für die Startups benachteiligende De-minimis-Verordnung zu fallen.

Laut Franziska Kendelbacher aus dem Referat für Startup-Finanzierung des Deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) ist Deutschland bereits im Frühjahr 2016 zur Notifizierung der neuen und deutlich ausgebauten Richtlinie auf die EU-Kommission zugegangen. Die Richtlinie wurde mit 12.12.2016 genehmigt und ist seit 1.1.2017 in Kraft. Deutschland hat eine Summe von 46 Mio Euro pro Jahr bis 2020 genehmigen lassen.

Laut Informationen, die dem Brutkasten vorliegen, hat das AWS die Richtlinie erst Anfang 2017 bei der Kommission angemeldet, als ihm die De-Minimis-Problematik bewusst wurde. Es bleibt abzuwarten, wie lang das Verfahren bei der Kommission dauern wird. 

So groß die Begeisterung über die geplanten Maßnahmen zur Förderung von Startups in Östererich vergangenes Jahr war – so enttäuscht sind viele Mitglieder der Community nun. Für sie heißt es vorerst: Geduld bewahren. Das Paket ist auf dem Weg, aber noch nicht angekommen. Vielleicht wartet der Absender doch noch auf einen passenderen Zeitpunkt.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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