22.02.2018

3 Monate zur DSGVO: Ein Lagebericht mit Schreckgespenstern

Ab 25.Mai ersetzt die von der EU 2016 beschlossene Datenschutz-Grundverordnung alte Rechtsgrundlagen und bringt Neuerungen. Für Unternehmen heißt das Endspurt in internen Projekten. Es drohen ihnen hohe Strafen, gefordert wird viel.
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DSGVO
(c) fotolia.com - sonne_fleckl

“Maximal 40 Prozent der Unternehmen beschäftigen sich ernsthaft mit dem Thema”, sagt Rechtsanwalt Philipp Summereder. Summereder betreut mit seiner Kanzlei Unternehmen, Städte und Gemeinden in der praktischen Umsetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung DSGVO. Er ist Vorstand im Verein DAVITS aus Linz, der es sich auf die Fahnen geschrieben hat, eine “Instanz und Clearingstelle für angewandte Web- und Netzwerksicherheit” zu sein.

+++ EU-Datenschutzverordnung: Das müssen Startups beachten +++

Neue Rechte für den privaten Nutzer

Für den Nutzer am heimischen Laptop ändert sich auf den ersten Blick wenig. Dabei werden der Person und ihren personenbezogenen Daten von der DSGVO wichtige, neue Rechte eingeräumt. Neben Betroffenenrechten und Schadensersatzbestimmungen sind das die Rechte zur Datenportabilität oder ein erweitertes Recht auf “Vergessen werden”.

In der Theorie darf in Zukunft jeder Kunde auf ein Unternehmen zugehen und einen lückenlosen Datenauszug über seine Person verlangen, um damit direkt zur Konkurrenz zu wechseln. Das Thema Profiling wird geregelt, die Rechte zur Datenlöschung für den Betroffenen verbessert.

“Wer seine Pflichten bislang erledigt hat, hat damit auch jetzt nicht mehr viel Arbeit. Wer bislang nichts getan hat, wird bis Mai ein wenig schwitzen”

Unternehmenspflichten in der DSGVO-Praxis

Geändert hat sich auch, dass die Verantwortung für Datensicherung in die Hände der Unternehmen gelegt wird. Die Meldepflicht und das Registrierungsverfahren bei der Datenschutzbehörde werden abgeschafft. “Wer seine Pflichten bislang erledigt hat, hat damit auch jetzt nicht mehr viel Arbeit. Wer bislang nichts getan hat, wird bis Mai ein wenig schwitzen”, sagt Summereder dazu.

In der Praxis sind die Anwendungsbereiche vielfältig und betreffen auch die Personalabteilung. Jeder Bereich ist betroffen, in dem personenbezogene Daten verarbeitet werden. Unternehmen müssen einen lückenlosen Gesamtüberblick über ihre verschiedenen Datenquellen und Zwecke der Datenverarbeitung abliefern, ansonsten drohen ihnen Strafen in Millionenhöhe.

Ausnahmeregelungen für kleinere Unternehmen

Da stellt sich die Frage, warum sich laut Summereder maximal 40 Prozent der Unternehmen damit beschäftigen. Erst recht, wenn das Thema seit April 2016 am Tisch liegt und das in einer Zeit, wo Datenschutz viele Menschen beschäftigt. Es mag an Unsicherheit liegen, ob und wie stark auch der kleine Unternehmer oder die kleine Unternehmerin von nebenan betroffen ist?

Die DSGVO sieht eine Ausnahmeregelung für Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern vor, “es sei denn die von ihnen vorgenommene Verarbeitung birgt ein Risiko für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen, die Verarbeitung erfolgt nicht nur gelegentlich oder es erfolgt eine Verarbeitung besonderer Datenkategorien.”

Der Umfang dieser Ausnahme und die Anwendung ist aber umstritten. In der Zeitschrift “Aufsichtsrat aktuell” empfiehlt EY-Rechtsanwalt Johannes Peter Gruber Unternehmen ab 20 Mitarbeitern eine oder einen Datenschutzbeauftragten.

Das DSG 2018 und Öffnungsklauseln

Im Zuge der Einführung der DSGVO werden den nationalen Gesetzgebern Öffnungsklauseln eingeräumt. Sie gewähren Spielraum in der Umsetzung der DSGVO, u.a.:

  • Ausnahmen von der Löschungsverpflichtung von Betroffenendaten
  • Beschränkungsmöglichkeiten der Betroffenenrechte
  • Ausnahmen von der Verpflichtung zur Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung, wenn die Verarbeitung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht

Hierfür wurde in Österreich das Datenschutz-Anpassungsgesetz (DSG 2018) entwickelt, eine Novelle des DSG 2000.

  • Es präzisiert die Regelungen für Datenschutzbeauftragte im Unternehmen oder zum Datengeheimnis in Personalabteilungen
  • Für Minderjährige legt es das Mindestalter zur Einwilligung in datenverarbeitende Angebote auf 14 fest
  • Es erleichtert Unternehmen die Löschung oder Berichtigung von Daten, wenn das aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen nur zu bestimmten Zeitpunkten erfolgen kann.

Der Goldrausch und die Angst vor Klagen

Gegründet wurde der Verein DAVITS im September 2016 und ist nicht der einzige seiner Art. Andere Projekte wie das DatenCockpit vom Zentrum für Verwaltungsforschung oder das Bundesrechenzentrum mit seinem Web-Tool “DataReg” entwickeln IT-Lösungen und beraten zur Erfüllung der Dokumentationspflichten aus der DSGVO.

Philipp Summereder warnt in diesem Kontext vor “vermeintlichen Experten, die auf Kosten von Unternehmen in einer Art Goldrausch schnelles Geld machen wollen”. Es stehen Schreckgespenster im Raum wie “Klagevereine, um durch zweckwidrige Nutzung von Betroffenenrechten Geld zu lukrieren.”

Privacy by design & default.

Klar ist, das jedes Unternehmen langfristig von der DSGVO betroffen ist. Wird die viele Arbeit die Neuerungen der DSGVO also wert sein und zum Schutz von persönlichen Daten beitragen? Es geht um “eingestaubte Prozesse im Unternehmen”, führt Summereder aus.

Automatisierte Systeme der Datenverarbeitung sollen in Zukunft Privacy by Design und Privacy by Default garantieren:

  • Einerseits sollen sie by design so entwickelt sein, dass personenbezogene Daten zuverlässig geschützt sind
  • Andrerseits sollen in Standardeinstellungen by default vom Nutzer keine Daten übertragen werden. Was das für Tracking-Tools oder Suchmaschinen im Detail bedeutet, bleibt unklar
  • In der Informationssicherheit werden internationale Standards wie die ISO/IEC 27000-Normenreihe empfohlen

Quo vadis, Datenschutz?

Die Baustellen sind vielfältig und die Diskussionen reichen vom Reizthema Cookies über Online Tools zum Tracking & Remarketing bis hin zu öffentlich verfügbaren Daten, wie man sie im Telefonbuch oder Handelsregister findet.

Wer seine Daten wirklich schützen möchte, wird wohl auch in Zukunft nicht umhin kommen selbst aktiv zu werden und zu Lösungen wie dem Tor-Browser, VPNs oder Proxyservern zu greifen.

Unternehmen müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, auf welche Dienstleister sie zurückgreifen und sich vertraglich absichern lassen. Mögliche Hackerangriffe und Systemfehler verpflichten sie eine “Data Breach Notification” vorzubereiten, um in 72 Stunden zu reagieren, wenn personenbezogene Daten verletzt werden. Philipp Summereder meint, der Grundtenor in drei Monaten zur Einführung der DSGVO wird positiv sein.

Es geht um Data Due Dilligence – die notwendige Sorgfalt im Umgang mit Daten. 84 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen meinen in einer Studie von Integral, es ist wichtig für sie, dass der Staat sich aktiv um Datenschutz kümmert. 47 Prozent sind der Ansicht, sie sind selbst für diesen Schutz verantwortlich.

Es wird sich zeigen, wie viele Menschen ihre neuen Rechte ab 25. Mai tatsächlich nutzen und wie Unternehmen in der Lage sind, mit einem Verfahrensverzeichnis Auskunft über ihre Datenverarbeitungstätigkeiten zu erteilen.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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