14.03.2016

Investments: Austin Startups sind für Investoren günstig zu haben

Allein im Februar 2016 wurden 28 Millionen US-$ in Startups investiert. Im US-Vergleich hat Austin trotz gutem Netzwerk einigen Nachholbedarf. Vor allem was die Höhe der Seed-Investments betrifft.
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Andrey Popov - Fotolia.com

Austin/Wien. Die Zahlen können sich sehen lassen: Während in Österreich Startups wie Anyline sich mit Investments von 1,5 Millionen € bereits über einen außergewöhnlich hohen Einstieg freuen können, werden in der texanischen Hauptstadt Austin ganz andere Brötchen gebacken. 28 Millionen US-$ wurden dort alleine im heurigen Februar in Startups investiert. Austin ist damit ein Hotspot für Risikokapital und Angel Investoren. In Tech-Unternehmen wurde laut Angaben der Austin Handelskammer bereits 2014 – neuere Zahlen liegen noch nicht vor – in 162 Deals über eine Milliarde US-$ investiert. Das Risikokapital hat in diesem Jahr über 100 Prozent zugelegt.

+++ Mehr zum Thema: South by Southwest in Austin: Die Welthauptstadt der Live-Musik lädt zum Festival +++

Austin hat höhere Startup-Dichte als Silicon Valley

Mit einer aktiven Ansiedelungspolitik und niedrigen Kosten hat sich Austin als Tech-Standort längst einen Namen gemacht und nach den großen IT-Unternehmen nun auch eine Vielzahl an Startups angezogen. Die Startup-Dichte hat sogar bereits das Silicon Valley, Boston oder Chicago überholt. So haben sich in Texas unter anderem sogar Startups niedergelassen, die selbst im Silicon Valley gute Chancen gehabt hätten: Own Local, Cratejoy und Treeline haben allesamt das berühmte Gründerzentrum Y Combinator durchlaufen und folgten damit den Fußstapfen von Unternehmen wie Airbnb oder Dropbox. Über 5000 Hightech-Unternehmen sind in Austin beheimatet, und knapp 50 Inkubatoren und Co-Workingspace gibt es in der Stadt. Und mit den vielversprechenden Startups hat es auch eine Vielzahl an Investoren und Investmentfonds in die Stadt gezogen.

Investmentunternehmen in Austin

Capital One Growth Ventures ist einer davon. 14 Millionen US-$ hat der Risikofinanzierer in das Start-up Vast investiert. Das Big-Data-Unternehmen hat eine Lösung entwickelt, das aus großen Datenmengen relevante Informationen beim Kauf eines gebrauchten Autos oder einer Immobilie liefert. Das Startup Vyopta – das Unternehmen hat ein Tool zur Steuerung von Video- und Collaboration-Netzwerken entwickelt – hat in einer Seedrund rund fünf Millionen US-$ eingesammelt. Das Kapital stammt vor allem von AVX Partners. Das Investmentunternehmen Silverton Partners hat 75 Millionen US-$ für texanische Startups bereitgestellt und LiveOak Venture Partner 109 Millionen US-$. Dabei handelt es sich aber nur um einige der wichtigsten Risikokapitalgeber.

120 Investmentfonds in Austin – aber noch Nachholbedarf

Von solchen Summen kann man in Österreich nur träumen. Für amerikanische Verhältnisse hingegen hat Austin noch einen enormen Aufholbedarf: So gibt es in der Stadt rund 120 Investmentfonds, wie eine Untersuchung der Munday School of Business der St.Edward’s University im Auftrag der Handelskammer untersucht hat. Das ist verhältnismäßig wenig im Vergleich zu den rund 780 im Silicon Valley und den etwa 740 Investmentfirmen in New York. Und dieser Mangel an Investoren spiegelt sich vor allem in der Höhe der Investments wieder. Startups aus Austin bekommen im Durchschnitt nur etwa 5,5 Millionen US-$ an Anschubfinanzierung, Unternehmen in New York kommen auf mehr als 10 Millionen US-$ und im Silicon Valley sogar auf mehr als 17 Millionen. Der Schluß der Untersuchung sei klar: Austin habe ein gesundes Investmentnetzwerk, sei aber noch nicht so weit entwickelt wie andere Regionen. Für Investoren biete das die Möglichkeit sich zu günstigen Konditionen in interessante Startups einzukaufen, macht die Handelskammer Werbung für den Standort.

Dunkle Zeiten für Austin?

Es gibt aber längst auch kritische Stimmen: Wie unlängst im US-amerikanischen Branchenblog Tech-Crunch. Denn auch wenn es eine Reihe von Investoren gibt, so ist die Konkurrenz dennoch zu klein. Investmentfonds stecken in diesem Umfeld ihr Geld lieber in besser entwickelte Unternehmen und damit in Series A-, B-, oder C-Runden. Und damit werden die Mittel für Seed-Runden kleiner – die Investments für Startups werden folglich geringer. So bekommt ein Unternehmen in Austin 400.000 US-$ für einen Unternehmensanteil von 40 Prozent. Das gleiche Unternehmen mit exakt dem gleichen Business-Plan und Pitch bekommt im Silicon Valley 2 Millionen US-$ für 20 Prozent angeboten. Langfristig ist das ein Dämpfer für die texanische Startup-Kultur. Es ist bereits von dunkeln Zeiten die Rede.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


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