02.08.2023

Analyse zur Kreislaufwirtschaft: Zwischen verschärften Vorschriften und neuen Marktchancen

Die globale Kreislaufwirtschaft tut sich schwer. Und das, obwohl sie sich längst von einer Nischenidee hin zum Trendthema entwickelt hat. Anlässlich des World Overshoot Day, der dieses Jahr auf den 2. August fällt, beleuchten wir die Probleme und Herausforderungen der Circular Economy und zeigen die Chancen für Startups in diesem spannenden Umfeld auf.
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Planet earth toy balloon deflated isolated on white background. Earth overshoot day, unsustainable resources consumption concept

Die weltweite Kreislaufwirtschaft ist rückläufig. Zu diesem Ergebnis kam Anfang 2023 der Circularity Gap Report, der seit 2018 in regelmäßigen Abständen die wichtigsten globalen Kennzahlen für Kreislaufwirtschaft liefert. Der Report zeigt, dass derzeit nur 7,2 Prozent der jährlich aus der Erde entnommenen neuen Materialien wiederverwendet oder ordnungsgemäß recycelt werden. Im Jahr 2019 betrug der Wert noch 9,1 Prozent.

Experte: Kreislaufwirtschaft gewinnt immer mehr an Bedeutung

Das Ergebnis ist durchaus überraschend, da sich Kreislaufwirtschaft in den letzten Jahren von einer Nischenidee hin zu einem Trendthema entwickelt hat. Harald Friedl, führender Experte für Kreislaufwirtschaft, erläutert die Gründe dafür wie folgt: “Global verbrauchen wir immer mehr Ressourcen, zugleich gewinnt aber das Thema Kreislaufwirtschaft in den letzten Jahren viel mehr an Öffentlichkeit und Breite.”

Harald Friedl, der 2018 den Circularity Gap Report mitbegründet hat und seit über zehn Jahren Regierungen und Unternehmen weltweit im Übergang von einer linearen zu einer kreislauffähigen Wirtschaft berät, verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Regulatorik und den EU-Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft. Dieser umfasst rund 30 Maßnahmen und steht im Einklang mit dem European Green Deal, der Europa zu einem grünen Vorreiter-Standort machen soll. Erst im November 2022 schlug die Kommission neue EU-weite Vorschriften für Verpackung vor. Nach den neuen Vorschriften sollen alle Verpackungen auf dem EU-Markt bis 2030 wiederverwendbar oder recycelbar sein. Zudem soll auch der bisherige Geltungsbereich der Ökodesign-Richtlinie erweitert werden, um die Reparierbarkeit von Produkten und deren Lebensdauer zu verbessern.

UN-Plastikabkommen

Neben EU-weiten Regelungen wird zudem auch auf internationaler Ebene verhandelt. Erst Anfang Juni ist in Paris die zweite von fünf zwischenstaatlichen Verhandlungsrunden für ein UNO-Plastikabkommen zu Ende gegangen. So wurde im Rahmen der UN-Konferenz erstmalig über eine mögliche Plastikobergrenze diskutiert, die weitreichende Folgen für die Plastikindustrie und künftige Investitionsentscheidungen hätte. Insgesamt sind fünf Verhandlungsabrunden für das Abkommen angesetzt, wobei Ende 2024 ein erster Entwurf vorliegen soll und 2025 das Abkommen beschlossen werden könnte. Ob eine derartige Obergrenze eingeführt wird, steht jedoch noch zur Disposition und wird Teil weiterer Verhandlungsrunden sein. So stehen Staaten wie die USA, China oder die Golfstaaten einem strengen Abkommen kritisch gegenüber.

Business Coalition for a Global Plastics Treaty

Mittlerweile hat aber auch die Wirtschaft die Dringlichkeit des Themas erkannt, wobei 2022 die sogenannte Business Coalition for a Global Plastics Treaty gegründet wurde. Dabei handelt es sich um eine weltweite Koalition aus Unternehmen, NGOs und Finanzinstituten, die sich dazu verpflichten, ein derartiges UN-Plastikabkommen zu unterstützen. Zudem verfolgen die Teilnehmenden laut Eigendefinition die Vision, dass „Kunststoff dank Kreislaufwirtschaft künftig nicht mehr zu Abfall wird”

Teil der Koalition ist beispielsweise die österreichische Greiner AG, die im Bereich Kunststoff- und Schaumstofflösungen zu den Weltmarktführern gehört. Unter anderem zählt das Unternehmen mit seiner Sparte Greiner Packaging zu den weltweit führenden Herstellern von Joghurtbechern und produziert für das Münchner Startup Air up die bekannten Trinkflaschen für die sogenannte Geruchslimonande. Die Greiner AG hat sich dabei zum Ziel gesetzt, bis 2030 ein „umfassend zirkuläres Unternehmen“ zu werden. Dabei setzt das Unternehmen unter anderem auf Innovationen, die sich durch ein neues Produktdesign auszeichnen. Eine noch recht junge Entwicklung ist beispielsweise ein sich selbsttrennender Karton­Kunststoff-Becher, der sich durch eine besonders hohe Recyclingfähigkeit auszeichnet.

Circular Economy Startups im Aufwind

Neben großen Unternehmen erkennen aber auch immer mehr Startups das Feld Kreislaufwirtschaft für sich und haben in den letzten Jahren zahlreiche Innovationen hervorgebracht. Erst Anfang April 2023 veröffentlichte die Initiative Circular Republic des Innovations- und Gründungszentrums UnternehmerTUM ihre erste Startup-Landkarte für den Bereich Kreislaufwirtschaft. Aktuell gibt es in Deutschland 171 Startups, die laut Circular Republic die notwendigen Kriterien erfüllen, um als Circular Economy Startup zu gelten.

Circular Republic hat erstmals eine Startup-Landschaft für die Kreislaufwirtschaft ­veröffentlicht, die zeigt: Die Kreislaufwirtschaft wird immer mehr zum Kern des Geschäfts­modells junger Unternehmen in Deutschland | (c) Circular Republic

Dazu zählen beispielsweise Startups, die Produkte aus erneuerbaren oder recycelten Materialien herstellen. Eines von ihnen ist das 2020 gegründete Hamburger Bioökonomie-­Startup traceless rund um die beiden Gründerinnen Johanna Baare und Anne Lamp. Das Unternehmen entwickelt Verpackungen und Folien aus Naturfasern, die eine Alternative zu konventionellen Kunststoffen darstellen. Erst im Mai dieses Jahres hat das Unternehmen vom Bundesumweltministerium eine Förderung in Höhe von fünf Millionen Euro für den geplanten Bau einer Demonstrations-Produktionsanlage erhalten.

Die Landschaft listet aber auch Startups, die sich beispielsweise im Bereich der Sharing Economy bereits am Markt etabliert haben. Dazu zählen beispielsweise bekannte Unternehmen wie das Kölner Startup Vytal, das in Zusammenarbeit mit Restaurants ein pfandfreies Mehrwegsystem auf den Markt gebracht hat und damit bereits erfolgreich ins Nachbarland Österreich expandierte, oder der Berliner E-Scooter­Anbieter Tier.

Die Vytal-Gründer haben in Zusammenarbeit mit Restaurants ein pfandfreies Mehrwegsystem auf den Markt gebracht und dieses erfolgreich nach Österreich und Frankreich exportiert | (c) VYTAL Global GmbH

Ein weiterer Bereich umfasst die Rückgewinnung von Materialien am Ende ihrer Lebenszeit. An dieser Stelle lässt sich das Münchner Startup Tozero nennen. Das Unternehmen möchte ein neuartiges Verfahren zur Rückgewinnung kritischer Materialien wie Lithium, Nickel und Kobalt aus Lithium-Ionen-Batterien einführen und plant dafür, eine Pilot-Recyclinganlage in München zu errichten. 2022 konnte das Startup rund um das rein weibliche Gründungsduo Sarah Fleischer und Ksenija Milicevic zudem eine Finanzierungsrunde in Höhe von 3,5 Millionen Euro abschließen. Aufgrund der großen Nachfrage nach Lithium ergeben sich im Bereich des Batterie-Recyclings künftig große Wachstumschancen. Einer neuen Studie der Unternehmensberatung McKinsey zufolge wächst der Recycling-Markt für E-Auto-Batterien jährlich um 25 Prozent.

Kreislaufwirtschaft ist weit mehr als nur das Einhalten von Vorschriften

Recycling ist jedoch nur ein Teil der Kreislaufwirtschaft, wie Experte Harald Friedl kritisch anmerkt: „Das Thema kommt in letzter Zeit aber zum Glück immer mehr aus der ,Recycling-Ecke‘ heraus und wird stärker designgetrieben gedacht.“ Dies umfasst beispielsweise das Produktdesign, das sich im Idealfall am Cradle­to-Cradle-Prinzip orientiert, und reicht bis hin zur Langlebigkeit von Produkten und deren Materialien. Zudem sollte sich Kreislaufwirtschaft nicht nur auf das Einhalten von Vorschriften beschränken. Das Konzept umfasst nämlich auch ein weitreichendes Wertesystem, das unsere Wirtschaft und Gesellschaft nicht mehr linear, sondern eben zirkulär denkt.

Ohne Vorschriften wird es aber schlussendlich doch nicht gehen. Dies betrifft auch die Problematik des Greenwashings. Mit der Green-Claims-Verordnung auf europäischer Ebene könnte Unternehmen hier künftig ein Riegel vorgeschoben werden. Zudem stimmten die EU-Staaten erst im Mai 2023 für einen digitalen Produktpass, der Verbraucher*innen künftig mehr Informationen über gekaufte Textilien und Co. liefern soll. Inwiefern die praktische Umsetzung erfolgt, ist noch nicht final geklärt.


Der Artikel erschien zuerst in der jüngsten Ausgabe von StartingUp.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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