03.07.2018

250.000 Euro Investment für Wiener Social Impact Startup WisR

Die Wiener "Recruiting-Plattform für Silver Ager" WisR holt sich eine Viertel Million Euro Seed-Investment in Form von Wandelanleihen. Wir sprachen dazu mit Co-Founderin und CEO Klaudia Bachinger.
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WisR, 2 Minuten 2 Millionen
(c) WisR/Timar Batis: Stehend vlnr.: Das WisR-Team rund um Gründer Martin Melcher, Carina Roth und Klaudia Bachinger,

Minutiös geplant scheint das Seed-Investment, das sich das Wiener Startup WisR nun holte. In den vergangenen Monaten konnte man unter anderem durch diverse Preise und Auszeichnungen auf die “Recruiting-Plattform für Silver Ager” aufmerksam machen. Nun gab man potenziellen Business Angels genau zwei Monate Zeit, sich für ein Investment in das Startup zu entscheiden. 250.000 Euro sollten es werden. “Wir wollten damit bewusst die FOMO (fear of missing out) aktivieren. Wenn man keine Deadline setzt, dann heißt es ‘schaun wir mal’. Unsere Message war klar: Jetzt oder nicht”, erzählt Co-Founderin Klaudia Bachinger im Gespräch mit dem Brutkasten.

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Vier Business Angels steigen bei WisR ein

Die Taktik ist aufgegangen. Mit Niki Futter (Compass Verlag), Stephan Blahut (ÖGV), Nathalie Karré (ACCELOR) und Christian Geissler (KERN Engineering Careers) stiegen in der aktuellen Runde vier Business Angels in das Startup ein. “Natürlich hatten wir schon über Monate hinweg Beziehungen aufgebaut”, räumt Bachinger ein. Genutzt habe man etwa die Netzwerke der Female Founders und des Uni-Inkubators INiTS.

Investment über Wandelanleihen

Ein in Österreich noch relativ selten genutztes Modell nutze WisR bei den Formalitäten des Investments. Denn man vergab für die 250.000 Euro Wandelanleihen. “Damit schiebt man die Unternehmensbewertung hinaus. Das ist bei einem besonders jungen Unternehmen, bei dem eine treffende Bewertung einfach noch schwierig ist, besonders sinnvoll. Und man braucht dafür keine Anwälte oder Notare und spart sich so Geld”, erklärt Bachinger. Mit dem Modell wird das Kapital erst mit der nächsten Finanzierungsrunde auf Basis der dann genutzten Bewertung zu Unternehmensanteilen konvertiert. Die Investoren der aktuellen Runde bekommen dabei einen sogenannten “Discount” – sie bekommen ihre Anteile also zu einer niedrigeren Bewertung, als die Investoren der nächsten Runde.

400.000 Euro-Runde in einem Jahr geplant

Dabei legte WisR eine Deckelung (“Cap”) von zwei Millionen Euro fest. “Wir hoffen natürlich, dass unser Startup in einem Jahr, wenn wir 400.000 Euro raisen wollen und müssen, 15 Millionen Euro Wert ist. Aber unsere Angels sollen in diesem Fall mit ihrem stärkeren Risiko nicht verhältnismäßig schlecht aussteigen. Sie bekommen also insgesamt mindestens 12,5 Prozent, wenn unsere Bewertung tatsächlich zwei Millionen Euro übersteigt”, erklärt Bachinger. Weil man auch andere Startups an den gewonnenen Erkenntnissen teilhaben lassen will, wird Co-Founderin Carina Roth im Juli übrigens einen Workshop zum Thema Wandelanleihen abhalten.

Personal und Growth Hacking

Das aufgestellte Kapital soll nun vorwiegend in Personal und Marketing gesteckt werden. MitarbeiterInnen in den Bereichen Sales Content Marketing wurden bereits aufgenommen und das Team soll weiter wachsen. “In Punkto Marketing fokussieren wir momentan auf Growth Hacking”, sagt Bachinger.

Erst DACH, dann Japan und Südkorea

Der nächste geplante Expansionschritt ist die Erschließung des DACH-Raums. “In Deutschland und der Schweiz gibt es sehr ähnliche Bedingungen am Arbeitsmarkt und bei Steuern”, sagt die Gründerin. In weiterer Folge wären Japan und Südkorea besonders spannende Märkte. Denn Japan hat die weltweit im durchschnitt älteste Bevölkerung und Südkorea hat die am schnellsten alternde. Für das Konzept – die Vermittlung von erfahrenen Arbeitskräften im Pensionsalter auf Auftragsbasis – also die perfekten Zielmärkte. “Die USA sehen wir aufgrund der demographischen Verhältnisse zwar nicht primär als Zielmarkt. Aber unsere Business Angelina Nathalie Karré verbringt die Hälfte des Jahres dort und hat ein hervorragendes Netzwerk. Und weil es dort kein staatliches Pensionssystem gibt, könnte unser Konzept auch in den Staaten greifen”, sagt Bachinger.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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